Ein Gastbeitrag von Stefan Weikert, Stand 09/2017
Clark Kent XLR8 “Pineapple” Naben
Ob nun Yeti C-26, Cucamonga Flite Control oder Westpine Neutron – in der Mountainbike-Historie kam und kommt es immer wieder zu “Einhörnern” – Teilen, die sehr selten sind, die nur wenige jemals in Händen gehalten haben und die meisten nur aus Katalogen, von Fotos oder aus Erzählungen kennen.
Die Ursachen für die Seltenheit dieser Teile kann dabei vielschichtig sein. Entweder ist ein exorbitanter (Neu-)Preis dafür verantwortlich, manchmal waren die zum Teil abenteuerlich konstruierten Parts dem MTB-Einsatz nicht gewachsen, oder in Zeiten der Prä-Internet Ära hat es die Marke einfach nicht geschafft, den breiten Markt zu erreichen. Auf die Clark Kent Pineapple Naben trifft wohl jeder der drei genannten Gründe zu. Anlass genug, sich näher mit diesen interessanten Classic MTB Naben zu beschäftigen.
Der Name Clark Kent
Jeder wird beim Namen “Clark Kent” wohl direkt an das alter Ego von Superman denken und vermuten, dass es sich hier um eine Entlehnung handelt, faktisch bezieht sich der Name jedoch auf die Nachnamen der beiden Gründer, Pat Clark und Dean Kent – allerdings sicher nicht, ohne vollständig die Anlehnung an Superman zu ignorieren. Die Firma soll in Denver, Colorado ansässig gewesen sein.
Clark Kent hat außergewöhnliche Fahrradnaben hergestellt, deren Chronologie nicht ganz eindeutig ist. Es scheint zudem, dass unmittelbar nach dem Niedergang von Clark Kent die Produktion einiger Nabentypen von der Firma Royal Bicycle Works (RBW) fortgesetzt wurde. Dies wird aus dem Bike Workshops der Jahre 1994 und 1995 ersichtlich. Erstmalig in Deutschland vorgestellt wurden die Clark Kent XLR8 Naben auf der IFMA 1994 in Köln. Dort erfahren vor allem die “Pineapple-Hubs” aufgrund ihres ungewöhnlichen Designs mit vier Nabenflanschen Aufsehen. Aber auch die anderen Modelle finden aufgrund des überdimensionierten “oversized” Mittelteils große Beachtung.
Clark Kent Schraubkranznabe
Die Schraubkranznabe ist wahrscheinlich die älteste und unspektakulärste der Clark Kent Naben. Die Besonderheit an dieser Nabe bildet eine Titan-Hülse, welche die beiden Nabenflansche miteinander verbindet. Die Verbindung ist geklebt – wie auch z.B. von Nuke Proof, Tune oder anderen Herstellern zu dieser Zeit praktiziert. Aufgrund der Schraubkranzaufnahme ist davon auszugehen, dass dies eine der ersten Clark Kent Naben ist.
Abmessungen und Gewichte
– Einbaubreite v/h: 100/135
– Flanschabstand v/h: 69/52
– Flanschdurchmesser v/h: 50,5/50,5
– Gewicht v/h: 150/175
Clark Kent XLR8 “Standard”
Diese Naben heben sich in erster Linie durch ihren ungewöhnlichen Freilaufkörper von der Masse ab. Der Freilauf arbeitet mit 3 Sperrklinken und ist eine Eigenentwicklung. Shimano-Kassetten passen natürlich. Während Shimano-Freiläufe geschraubt werden, wird dieser Freilauf mittels Sprengringen auf der Achse fixiert. Der Freilauf ist aus Titan, später auch aus Stahl. Unklar ist, ob diese Naben zeitgleich, vor oder nach der “Pineapple” produziert wurden. An der Herkunft besteht allerdings kein Zweifel. Die Naben trugen einen schwarzen, aufgeklebten C•K Schriftzug. Diese Aufkleber waren nicht besonders widerstandsfähig, machen einen dilettantischen Eindruck und sind ziemlich schnell abgefallen. Daneben gibt es auch den kompletten “Clark Kent” Schriftzug, bei der Hinterradnabe umlaufend, bei der Vorderradnabe axial geklebt (siehe Bike Sport News Teilekatalog 1994, S.148). Der schwarze Schriftzug ist nicht CI-konform mit dem prägnanten roten Schriftzug späterer Rahmen, daher sind diese Naben wahrscheinlich zeitlich vor der Pineapple zu datieren.
Abmessungen und Gewichte
– Einbaubreite v/h: 100/135
– Flanschabstand v/h: 65/56
– Flanschdurchmesser v/h: 50,5/50,5
– Gewicht v/h: 114/321 (Titanfreilauf)
Clark Kent “Pineapple Hubs”
Pineapple Vorderradnabe
Die Vorderradnabe kam 1994 unter dem Label Clark Kent XLR8 auf den Markt und wurde später noch kurze Zeit unter dem Label RBW (Royal Bicycle Works) vertrieben. Aufgrund der vier Nabenflansche erinnert die Nabe ein wenig an eine Ananas, woraus sich der Beiname “Pineapple Hub” ergab. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten und Spekulationen über die Einspeichung. Es ist möglich, die innenliegenden Flansche mit geraden „Straight-Pull-Speichen” einzuspeichen, die äußeren hingegen mit normalen Speichen. Auch lassen sich die Flansche nahezu unabhängig voneinander, mit unterschiedlichen Einspeichmustern behandeln. Die vom Hersteller vorgesehen Einspeichung sieht allerdings eine 2-fache Kreuzung vor, wobei der jeweils äußere Nabenflansch mit dem benachbarten Pineapple-Flansch verdrillt wird (Wurzelspeichung/Snowflake). Auf diese Weise erhöht sich die Fläche, auf die die Seitenkräfte verteilt werden, was eine höhere Seitenstabilität zur Folge haben soll. Aufgrund unterschiedlicher Flanschhöhen sind Speichen mit identischer Länge zu verwenden.
Die Lagerung der Nabe besteht nicht aus Konuslagern, es sind leicht zu wechselnde Industrielager verbaut, jeweils eins pro Seite. Zur Demontage werden die Distanzstücke mit Hilfe eines Konusschlüssels gegen den Uhrzeigersinn gegeneinander gedreht. Eine Konusschlüsselaufnahme ist in die Distanzstücke eingefräst. Die Distanzstücke sind in eine Aluhülse geschraubt, welche die innere Achse der Nabe bildet. Die Distanzstücke dienen gleichzeitig dazu, die Industrielager an Ort und Stelle zu halten. Innen verfügen die Distanzstücke über ein Gewinde, so dass sie sowohl mit Schnellspannern geklemmt oder direkt verschraubt werden können.
Abmessungen und Gewicht
– Einbaubreite: 100
– Flanschabstand außen/innen: 70/25
– Flanschdurchmesser außen/innen: 56,5/48
– Gewicht: 170
Pineapple Vorderradnabe Prototyp
Der Prototyp der Pineapple Nabe verfügt nur über die beiden inneren Pineapple-Flansche. Aufgrund der unveredelten Oberfläche ist anzunehmen, dass die äußeren Flansche erst nach dem Eloxieren abgedreht wurden. Dieser Naben-Prototyp kann verwendet werden, um ein aerodynamisch günstig konzipiertes Vorderrad zu bauen, da die Speichen einen sehr steilen Aufstellwinkel besitzen und damit fast in einer Linie mit der Felge stehen. Dementsprechend geht die gute Aerodynamik stark zu Lasten der Seitensteifigkeit. Dieser Prototyp ging nie in Serie und erweckt den Eindruck einer kompletten Fehlkonstruktion. Interessantes Detail: In Abgrenzung zur normalen Pineapple Vorderrad-Nabe verfügen die Distanzstücke hier über eine Inbus-Aufnahme, so dass die Nabe leichter und ohne Konusschlüssel demontiert werden kann. So werden noch einmal ein paar Gramm Gewicht eingespart.
Abmessungen und Gewicht
– Einbaubreite: 100
– Flanschabstand: 25
– Flanschdurchmesser: 48
– Gewicht: 133
Clark Kent XLR8 Pineapple Hinterradnabe
Die Pineapple Hinterradnabe besitzt lediglich einen Pineapple-Flansch, dieser liegt auf der Antriebsseite. Dadurch soll erreicht werden, dass beidseitig eine gleich hohe Speichenspannung angelegt werden kann. Die Nabe ist 6-fach mit gelagert: Drei Industrielager in der Nabe, zwei Industrielager im Freilauf, ein Stirnlager zwischen Freilaufkörper und Nabe.
Die Verortung der Lager im Detail: Linksseitig ist lediglich ein Industrielager verbaut. Auf der Antriebsseite dient ein Industrielager der Lagerung der Nabe, ein weiteres Lager, mit etwas größerem Durchmesser, dient der Lagerung des Freilaufkörpers in der Nabe. An der Stirnseite des Freilaufkörpers, also zwischen Nabenhülse und Freilaufkörper, ist ein Axial-Zylinderrollenlager verbaut, was für einen leichteren Lauf des Freilaufs sorgen soll. Der Freilauf ist in seinem Inneren mit zwei Industrielagern bestückt, die durch Sprengringe fixiert sind. Zwischen diesen beiden Lagern befindet sich eine Distanzhülse aus Aluminium.
Der Titan-Freilauf arbeitet mit 3 Sperrklinken und ist ungewöhnlich laut. Er greift in eine Rasterung, die, ähnlich der Zahnscheibenaufnahme bei Hügi, direkt in den Nabenkörper hineingeschraubt ist. Fixiert wird der Freilaufkörper mit einem Distanzstück, welches auf die Achse geschraubt wird (M12x1). Das Distanzstück lässt sich mit einem normalen Konusschlüssel demontieren, anschließend kann der Freilaufkörper ohne weiteres Werkzeug mit der Hand abgezogen werden. Ein weiteres, besonderes Merkmal ist der große Schnellspannachsendurchmesser. Hinweise auf spezielle Schnellspanner mit dickeren Achsen fehlen bislang. Die Seltenheit, vor allem der Hinterradnabe, ist neben einem geringen Produktionsvolumen mit darauf zurückzuführen, dass die Pineapple Hinterradnaben angeblich sehr häufig Aussetzer hatten. Offenbar ist es nicht gelungen, den Freilaufkörper dauerhaft kraftschlüssig mit der Nabe zu verbinden.
Von der Nabe gibt es zwei leicht abweichende Versionen: Bei der einen Version verläuft er Nabenkörper ebenmäßig konisch (wie in der Abbildung), bei der anderen Version hat der Nabenkörper eine zusätzliche „Stufe“, wie bei der Kegg Hub (siehe unten). Vor dem Hintergrund der kolportierten Probleme mit dem Freilauf und dem Standard-Shimano-Freilauf der Kegg Hub scheint es, also ob die Stufenversion ein Versuch war, die Freilaufprobleme unter Verwendung etablierter Standards in den Griff zu bekommen.
Abmessungen und Gewicht
– Einbaubreite h: 135
– Flanschabstand außen/mitte-rechts: 57/24
– Flanschdurchmesser l/m/r: 45,5/48/56,5
– Gewicht h: 360 (Titanfreilauf)
Clark Kent XLR8 Kegg Hub
XLR8 Kegg Vorderradnabe
Die XLR8 Vorderradnaben gibt es in zwei Ausführungen, die sich in der Ausgestaltung des Nabenkörpers unterscheiden. Version A verfügt über eine ebenmäßige “oversized” Verdickung in der Nabenmitte, Version B hat in der Nabenmitte zwei wulstartige Verdickungen, je rund 2,5 cm vom Nabenflansch entfernt. Die Lagerung und das Innenleben der XLR8 Vorderradnaben sind identisch mit der Pineapple Vorderradnabe. Auch die XLR8 kann unter Verwendung zweier Konusschlüssel demontiert werden.
Abmessungen und Gewicht Version A
– Abmessungen und Gewicht
– Einbaubreite: 100
– Flanschabstand: 70
– Flanschdurchmesser: 56,5
– Gewicht: 168
Abmessungen und Gewicht Version B (Wulst)
– Abmessungen und Gewicht
– Einbaubreite: 100
– Flanschabstand: 70
– Flanschdurchmesser: 56,5
– Gewicht: 170
XLR8 Kegg Hinterradnabe
Die XLR8 Hinterradnabe hat einen Shimano-Freilauf. Das rechte Distanzstück ist nur gesteckt und besitzt einen O-Ring, der das Teil auf der Achse fixiert. Das Distanzstück der linken Seite ist geschraubt. Dieselbe Nabe wurde auch mit der Prägung “Power Kegg” (eine Allegorie zu Powder Keg = Pulverfass) vertrieben. Die Demontage erfordert Werkzeug, ein Abziehen des Freilaufs mit der Hand wie bei den Pineapple HR-Naben ist nicht möglich.
Die Achse der XLR8/Kegg HR-Nabe ähnelt zwar der Pineapple-Nabe, weicht von dieser jedoch ab: Sie besitzt zwei Fräsnuten, in die Sprengringe eingesetzt werden. Zudem scheinen die Gewinde an den Achsenden eine minimal von der Pineapple-Achse abweichende Gewindesteigung zu haben. Die Distanzstücke sind daher nicht frei gegeneinander austauschbar.
Abmessungen und Gewicht
– Einbaubreite: 135
– Flanschabstand: 56,5
– Flanschdurchmesser l/r: 45,5/56,5
– Gewicht: 358 (Stahlfreilauf)
Hinweise zu den angegebenen Daten:
Alle Maße und Gewichte wurden selbst ermittelt und weichen teilweise von den Katalogangaben des Herstellers ab. Gewichtsangaben in Gramm, Einbaumaße in Millimeter, Flanschabstände Mitte-Mitte gemessen, Flanschdurchmesser außen gemessen.