Am französischen Atlantik mit dem Fahrrad über den Sandstrand fahren: Das Freiheitsgefühl für Radfahrer-Innen ist unbeschreiblich.
> Die Cathedrale von Chartres
> Mit dem Fahrrad am Strand in La Tranche-sur-Mer
> Radtouren an der Atlantikküste: Jard-sur-mer
> Radtour zum Pointe d’Arcay
> Ausflug nach La Rochelle
> Radtour zum Yachtclub La Tranche-sur-Mer
> Rückfahrt über “Le Mont-Saint-Michel”
> Karte unserer Radtour
Zwei Wochen in der Vendée in Frankreich mit Fahrrädern waren als Herbsturlaub geplant. Zwei Wochen in der Nachsaison in La Tranche-sur-Mer kurz vor Saisonschluss. Wir waren vor fünfzehn Jahren schon mal hier auf einem Campingplatz und nun, Ende September 2018 wollten wir die tolle Landschaft nochmal sehen, weil die Erinnerungen daran so schön waren. Was nur wenige Touristen wissen: Die Vendée gilt als ausgesprochenes Schönwettergebiet am französischen Atlantik. Weiter südlich ist die Atlantikküste für seine Wetterstimmungen bekannt, aber hier, auf Höhe der IÎle de Ré erweist sich das Wetter oft erheblich stabiler als im Süden. Wir sind vor Jahren mit dem Auto schon mal 1.200 Kilometer von Bielefeld aus durch den Regen gefahren und auf den allerletzten 100 km ab La Roche-sur-Yon wurde es richtig schön sonnig. A Propos: Die gegenüber liegende IÎle de Ré gilt für Radler als weiterer Geheimtipp. Die nur 30 Kilometer lange Insel kann an einem Tag locker über wunderschöne Radwege erfahren werden. Das muss ich unbedingt nochmal machen, diesmal war die Zeit leider zu knapp.
Für Fernreise-Radler: Die Route führt von der Bretagne in Roscoff über die bekannte EuroVelo 1 “La Velodyssée” mit über 1.200 Kilometer durch Frankreich bis hin zur spanischen Grenze, größtenteils am französischen Atlantik entlang. Mit dem Kunstbegriff Velodyssée wird der französische Teil der EuroVelo 1 bezeichnet. Regional gesehen führt dieser Radweg in Frankreich also vom Ärmelkanal bis zum Baskenland. Ein holländisches Radfahrgremium wählte diesen französischen Atlantik-Abschnitt zur “Besten Radstrecke 2013”. Und die Holländer wissen ganz genau, was auf dem Fahrrad gut ist! Zudem lässt sich sagen, dass die Radwege in Frankreich mittlerweile sehr gut ausgebaut sind. Es gibt aber kleine Unterschiede zu Deutschland: Französische Radwege können sich an der Atlantikküste auch mal in geschotterte oder sandige Pisten verwandeln, daher sind reine Rennräder mit dünner Bereifung etwas unpraktisch. Die Abtrennung zwischen Rad- und Fussweg ist oft durch massive Holzpoller auf Lenkerhöhe gekennzeichnet, deren Standhaftigkeit es locker mit jedem Mittelklassewagen aufnehmen könnte. Und so manch ein Verkehrskreisel verlangt den Radfahrer-Innen einen siebten Sinn für äußerst kreative Verkehrsführung ab.
Radfahren an Frankreichs Atlantikküste ist pure Erholung,
wenn die richtige Reisesaison auswählt wird. Durch seine schiere Größe wirkt Frankreich dünn besiedelt, bis auf die Hauptsaison in den großen Ferien, wenn alle Franzosen gleichzeitig verreisen aber trotzdem im Land bleiben, dann ist alles rappelvoll. Rauschen sie in diese frankophile Hauptreisezeit um Gottes Willen nicht bedenkenlos an die Küsten! Es ist teuer und voll. Dagegen ist Deutschland mit seinem versetztem Ferienmodell der Bundesländer ein organisierter Traum. Aber die Vor- und Nachsaison, die ist an Frankreichs Atlantikküste mit und ohne Fahrrad wirklich ausgesprochen cool: Die Leute sind entspannt, die Straßen leer, in beliebten Bistros und Restaurants nimmt man sich Zeit – auch für deutsche Touristen.
Wir sind mit meinem alten Fabia hingefahren. Zwei Räder liegen auf dem Gepäck im Heckabteil des feinstaubgefilterten Diesels. der kleine Kombi braucht vollbeladen auch nach 15 Jahren noch immer weniger als 5 Liter Diesel auf 100 Autobahnkilometer. Frankreich hat übrigens seit dem Sommer ein neues Tempolimit auf Landstraßen eingeführt: 80 km/h auf der Landstraße maximal, es tut den Landstraßen, den Radfahrern, den kleinen Ortschaften sehr gut.
Nicht nur auf den Autobahnen drohen hier seit Jahren teure Höchststrafen für Temposünder. Der französische Staat greift durch, weil sich viele Menschen, wie in Deutschland schlicht den Hals abfahren. Dazu die Autobahngebühren und maximal 130 km/h, bei Regen nur 110. Das entschleunigte Verkehrssystem funktioniert erstaunlich gut. Mir fällt mal wieder auf, dass das Autofahren in Frankreich erheblich entspannter ist, als in Deutschland. Ok, mit Ausnahme von Paris: Wir geraten durch eine Baustelle mitten rein und verfluchen im Samstagabendverkehr das alte Steinzeit-Navi ohne Google-Maps. Kurz nach Paris endet schon unsere erste Teiletappe: Wir übernachten im lauschigen Chartres. Aber nicht ohne uns vorher noch die berühmte Kathedrale anzusehen.
Die Cathedrale von Chartres
In der Abenddämmerung machen wir einen regenerierenden Fußmarsch zur Cathedrale in Chartres, einem der berühmtesten Bauwerke in Frankreich, welches seit der Einweihung von 876 durch einen gewissen Kaiser Karl massenweise Pilger und Touristen anzieht. Durch schmale Gassen geht es an unzähligen Kanälen vorbei ins Zentrum. Überall ist Wasser. Dabei geraten wir quasi als gerade gestrandete Autobahn-Touristen überraschenderweise in ein Stadtfest. Alle Lokale sind überfüllt, dazu aber eine ruhige, fast schon feierliche Abendstimmung, von der man sich in Deutschland mal ein paar Scheiben abschneiden könnte. Man parliert hier auf der Straße noch auf Augenhöhe statt mit dem Handy. Ein warmes Lüftchen durchweht die Straßen, wilde Vorgärten wehen im Wind. Das in der bisherigen Geschichte niemals zerstörte Chartres wirkt wie ein verwunschenes, altes Dorf, aber die Kathedrale ist tatsächlich sehr imposant. Das Szenario wirkt etwa so, wie der Kölner Dom mitten in der Provinz. Zum Radfahren kommen wir hier nicht, die Gassen wären auch zu eng, zu stufig und heute Abend auch zu voll.
Beim Petit-Dèjeuner im einfachen Hotel morgens sind wir uns einig: Chartres allein ist schon eine Reise wert, der Ort ist wunderschön, die Atmosphäre liebenswert. Das wusste ich auch schon vor Jahren, aber live vor Ort ist das dann komischerweise immer wieder etwas ganz anderes. Inmitten des frankophilen Lands vergeht die Zeit doch irgendwie scheinbar lebenswerter als im hektischen Deutschland. Ich bin neidisch: Auf die gelassene Lebensweise, das schöne Himmelslicht in allen Farben, die duftende Spätsommeratmosphäre, die spielenden Kinder auf der Straße, die entspannten Menschen, das oft gelobte savoir-vivre. Was machen die hier nur anders? Alles wirkt so unglaublich chillig.
Mit dem Fahrrad am Strand in La Tranche-sur-Mer
Gleich am nächsten Morgen fahren wir 250 Kilometer süd-östlich weiter. Dort haben wir unser eigentliches Ziel erreicht: Den Ferienort La Tranche-sur-Mer an der französischen Atlantikküste. In der Nachsaison sind die Ferienhäuschen hier erheblich günstiger und wir können von unserem Domizil tatsächlich barfuss an den Strand- und zurück gehen. Als ich mein altes 95’er MTB ausgepackt hatte, musste ich damit sofort am nächsten Tag in den Sand: Einmal den ultrabreiten Strand rauf- und wieder runterfahren. Enge Kurven, driften, das Spielchen mit dem Salzwasser und trockenen Füßen an der Brandung. Das Ferienhäuschen erweist sich als äußerst komfortabel. Zu ersten Mal im Leben haben wir eine Garage am – oder besser gesagt im Ferienhaus. Von der Küche geht man durch eine Tür in die Garage zum Auto, trägt dann den ganzen Einkauf aus dem Wagen in maximal 10 Metern in den Kühlschrank. Die SUVs der ganz wenigen französischen Nachbarn passen da natürlich nicht mehr rein, sondern parken alle unter der Laterne.
Unsere Räder haben wir Nacht für Nacht an einen dicken Terrassen-Balken aus Holz fest angeschlossen. Wir sind die letzten Mieter der Saison 2018. Nachbarn gab es nur noch ganz wenige, alles Franzosen. Die täglich fahrende Müllabfuhr dient uns als natürlicher Wecker. Morgens können wir auf der Terrasse im Sonnenlicht frühstücken. Mittags fahren wir mit den Rädern manchmal zum Einkaufen in den etwas dezentral gelegenen Super-U. Hier gibt es so ziemlich alles, was man braucht, vor allem köstliche Lebensmittel. Nachmittags nach den Radtouren können wir noch im Atlantik schwimmen. So hatten wir uns das vorgestellt.
Abends geht es mit den Fahrrädern zu der sieben Kilometer entferntem Bar “l’Equipage” in der Nähe unseres ehemaligen Campingplatzes (Google Maps), wo es früher immer so köstliche Miesmuscheln gab, von denen wir noch jahrelang gesprochen haben. Die gibt es dort tatsächlich auch heute noch, aber leider nur noch diesen Abend, dann schließt unser Geheimtipp bis zum Saisonbeginn im nächsten Jahr.
Die Kellnerin erzählt uns, sie sei nach dieser extrem heißen Saison sehr, sehr müde und wolle sich im nahegelegenen Südengland ausruhen. Das erklärt auch die vielen Briten, die gern auf dem direkten Seeweg komfortabel hierherkommen. Sie spricht perfektes Englisch, noch immer eine eher seltene Gabe in Frankreich. Ganz ohne Französisch-Basis-Kenntnisse ist die Kommunikation für Touristen hier auch heute noch schwierig. Muss man ehrlicherweise sagen. Dafür grüßen alle möglichen frankophilen Menschen auf dem Trottoir mit einem freundlichen Bonjour, obwohl man sie noch nie getroffen hat. In Deutschland bei wildfremden Menschen eher ungewöhnlich. Gegenseitiger Respekt ist hier am Atlantik eine gut gepflegte Tugend, der auch jüngere Menschen oft nachkommen.
Radtouren an der französischen Atlantikküste: Jard-sur-mer
Wir fahren mit dem Rad nördlich in Richtung Jard-sur-mer. Die Küste macht hier einen scharfen Knick. Dadurch ist es viel windiger, der topfebene Strand wird noch breiter und verwöhnt uns mit hartem Sand, auf dem man mit dem Fahrrad recht leicht fahren kann. Das Faltrad sackt mit den dünnen Straßenreifen eher ein, als mein MTB mit der breiteren 1.95er Schwalbe-Kojak Bereifung. Trotzdem kommen wir auf dem harten Sand auch ohne Schieben ganz gut voran. Die Weite wirkt endlos, ich fahre mit dem MTB auf eine wasserumflutete Lagune bei Ebbe.
In der Ferne sehen wir ein dutzend Strandsegler in Aktion. Die Bedingungen dafür sind hier optimal. Spitzengeschwindigkeiten von 130 km/h sind möglich, der Rekord liegt bei über unglaublichen 200 km/h. Man braucht dafür sehr viel Platz, aber den gibt es an diesem Strandabschnitt zuhauf. Zum Parken werden die Segler übrigens einfach auf die Seite gelegt, sonst rollen sie herum. Das Essen gilt in Frankreich noch immer als heilige Kuh, hier konnten wir es wieder beobachten. Wenn der Segler anhält, folgt mit hoher Wahrscheinlichkeit das Mittagessen, man kann die Uhr danach stellen.
Radtour zum Pointe d’Arcay
Die Radtour durch die winzige Gemeinde La Faute-sur-Mer endet auf der Halbinsel in einem Naturschutzgebiet namens Pointe d’Arcay. Hier fliesst der Fluss Lay ins Meer und bildet eine abenteuerliche Landzunge. Die Gegend wurde 2010 vom Orkan Xynthia stark verwüstet. In einem Rundgang kann man sich die Stationen der ehemaligen Muschel- und Austerzucht in einer Art Freiluftmuseum ansehen. Der sumpfige Ort hat eine magische Ausstrahlung von purer Natur.
Auf dem Parkplatz stehen neben einem alten VW-Bus fast nur Fahrräder mit Packtaschen von radelnden Naturliebhabern. Es gibt ein kleines Haus mit “Naturmuschel-Mauern” bestehend ganz aus Austernschalen. Ohne Führung bzw. Literatur bleibt die Muschelzucht für uns allerdings ein Buch mit sieben Siegeln. Trotzdem: Man muss die Austernzucht nicht genau verstehen, denn es ist einfach auch so wunderschön hier: Bunte Insekten, Fische, ein getarnter Unterschlupf zur Vogelbeobachtung durchzogen von völlig verrosteten Stautoren, die von der Natur zurückerobert werden – mit ganz wenig Besuchern. Es ist wahrscheinlich das Brackwasser, welchen diesen geheimnisvollen Lebensraum schafft.
Auf dem Rückweg durch den duftenden Wald machen wir mit den Fahrrädern noch einen kleinen Abstecher zum Strand. Beim Spiel an der Brandung hole ich mir klatschnasse Füße. Abends spüle ich das Rad sorgfältig mit Süßwasser ab, denn die letzten Male am Strand haben mich gelehrt: Meerwasser lässt Fahrradteile ganz schnell rosten. Selbst Aluminiumteile werden extrem stark angegriffen, vor allem, wenn das Rad bis zum nächsten Urlaub unbenutzt abgestellt wird, statt mal im Regen mit Süßwasser abgespült zu werden. Hier ein Beispiel:
Das Foto entstand Mittags bei uns am Strand bei Ebbe. Wir hatten uns schon über die vielen Autos gewundert, die morgens alle an unserer Terrasse zum Strand fuhren. Als wir nachschauten, war das ganze Wasser kilometerweit weg. Die Franzosen machen aus diesem Naturereignis ein Familien-Hobby namens “Pêche à pied” – übersetzt “zu Fuß fischen”, bzw. Gezeitenfischerei. Dabei wird der trocken liegende Meeresboden bei völliger Ebbe nach Muscheln und Schalentieren abgesucht. Für die maximale Größe des Fangs gibt es vorgeschriebene Regeln: Es darf nur soviel abgefischt werden, wie eine Familie bei einer Mahlzeit verzehren kann. Jedenfalls ist das am Strandeingang so ausgeschildert. Man beobachtet Jung und Alt mit Eimerchen, kleinen Schaufeln, Harken, Netzen mit und ohne Gummistiefel. Überrascht hat uns die hohe Geschwindigkeit der wiederkehrenden Flut, die von den Hobbyfischern bis zur allerletzten Minute seelenruhig ignoriert wird. Schnell wird mir klar, warum bei Flut so viele Menschen ertrinken können, obwohl das Wasser ja eigentlich langsam steigt. Die Wahrheit: Es steigt hier durch den großen Tiedenhub rasend schnell und fordert noch immer unwissende Opfer.
Ausflug nach La Rochelle
Die alte Hafenstadt La Rochelle – übersetzt “Der kleine Felsen” – haben wir mit dem Auto besucht. 40 Kilometer Anreise mit dem Fahrrad waren uns dann doch zu anstrengend. Als erste Herausforderung lockt einen das stadtinterne Parkleitsystem zum völlig überfüllten Hafen. Dort ist zur Mittagszeit alles völlig zugeparkt. Überbreite SUVs erschweren zusätzlich ein dellenfreies Aussteigen. Die Gründung der Stadt lässt sich wahrscheinlich auf das 10. Jahrhundert zurückdatieren, im Jahre 1199 erhielt sie das Stadtrecht. La Rochelle war mal der größte und wichtigste Hafen in ganz Frankreich bzw. sogar am ganzen Atlantik, heute dient er immerhin noch als viertgrößter Fischereihafen des Landes.
Früher wurden vor allem Wein und Salz gehandelt. Heute dürfte neben der Fischerei auch der Tourismus eine sehr bedeutende Rolle spielen. Einer der größten Yachthäfen ganz Frankreichs befindet sich ebenfalls hier. Das Markenzeichen der pittoresken Küstenstadt sind die beiden alten Türme im Hafen: Tour St. Nicolas und der Tour de la Chaine. Im Hunderjährigen Krieg als auch in den Religionskriegen fanden hier brutale Seeschlachten, grausame Gemetzel und blutige Massaker statt. Zwischenzeitlich war La Rochelle die französische Hauptstadt des Protestantismus. Anfang des 17. Jahrhunderts hatte sich die Stadt mit den Engländern verbrüdert und wurde daraufhin von der königlichen Armee Ludwig XIII. systematisch ausgehungert. Von den ursprünglich 28.000 Einwohnern haben schlussendlich nur 5.000 überlebt, der Rest war verhungert. Langweilig war es hier früher offensichtlich nie.
Nach dem Durchgang durch das wunderschöne Stadtportal mit Türmchen und alter Uhr entdecken wir als Erstes die Schaufensterscheibe einer Bäckerei mit köstlich anmutenden, typisch französischen Backwaren. Wer es nicht kennt: Unbedingt mal einen französischen Brioche probieren. Der aus dem Supermarkt ist schon seeehhhr lecker, aber vom Bäcker ist so eine fette Hefeteigkugel einfach nur göttlich. Aufgrund des teuflischen Kaloriengehalts übrigens die perfekte Mahlzeit für Radfahrer-Innen! Und Brioches halten sich tagelang ohne Probleme in Plastikfolie…
In der Innenstadt von La Rochelle tummeln sich auffällig viele Radfahrer-Innen, ähnlich wie in Holland. Eigens für sie ziehen sich sehr breite, autofreie Radwege durch die Innenstadt. In den engen Straßen eignet sich das Fahrrad perfekt als effizientes Verkehrsmittel – wie wir feststellen übrigens auch für Leute mit Anzug und Krawatte. Nach einem touristischen Bummel unter den Arkaden quer durch die Stadt, vorbei an der uralten, grün patinierten Markthalle gelangen wir noch in den Stadtteil “Ville en Bois”, der größtenteils aus skurrilen Fachwerkhäusern besteht.
Radtour zum Yachtclub La Tranche-sur-Mer
In unserem Ferienörtchen La Tranche-sur-Mer selbst gibt es auch einiges zu sehen. Neben dem samstäglichen Markt vor dem Rathaus gibt es einen Yachtclub mit Bootsverleih, sowie einen großen Wassersport-See, der zwischen dem Meer und dem Ort liegt. Mehrere Schwimmbäder befinden sich ebenfalls am See. Das Highlight war für mich der extrem breite Strandabschnitt mit der Seebrücke westlich des Plage Clémenceau. Von der Brücke aus kann man herrlich weit aufs Meer gucken sowie Kiter, Surfer und Möwen beobachten. Hunderte von kleinen Bötchen schaukeln in den Wellen. Hier werden sie vom Anhänger zu Wasser gelassen, die Straße führt direkt auf den flachen Strand.
Ich konnte nicht widerstehen mich mit dem alten MTB genüsslich auszutoben. Dabei stellte ich fest: Die glatten Slick-Reifen rollen sehr gut im festen Sand, brechen in losem Sand aber unerwartet aus. Man kann damit auch nicht kontrolliert driften, sondern bricht seitlich weg. Stollenreifen wären am Strand viel besser. Trotzdem ein Heidenspaß! Wahrscheinlich geht das in der Hauptsaison weniger gut, weil der Strand dann von tausenden von Urlaubern okkupiert wird. Verbotsschilder für Fahrräder habe ich am Strand nirgends gesehen, sondern nur für die allseits geliebten französischen Fiffis, die an den Stränden jetzt in der Nachsaison ebenfalls toleriert werden.
Abends verwandeln sich die Strandabschnitte in sehr romantische Orte, wo man den Tag gebührend ausklingen lassen kann. Wir waren mit den Fahrrädern abends mehrmals an Strand unterwegs. Auf der Rückfahrt braucht man natürlich eine funktionierende Fahrradbeleuchtung. Viele Einbahnstraßen sind für Radfahrer in beide Richtungen befahrbar. Einen Fahrradhelm trägt hier niemand, aber Vorsicht mit der laxen, deutschen Promillegrenze speziell für Radfahrer, die gilt in Frankreich für Kraftfahrer genauso wie für Radler.
Rückfahrt über “Le Mont-Saint-Michel” in der Normandie
Anstatt auf direktem Weg die Rückreise anzutreten, entschieden wir uns dazu, das atemberaubende Weltkulturerbe Mont-Saint-Michel in der Normandie (Google Maps) noch für zwei Nächte zu besuchen. Dazu nächtigten wir in einer einfachen Pension namens Auberge de la Baie mitten auf dem Land zusammen mit vielen Schafen. Von dort aus konnten wir zu Fuß auf die ein Kilometer vom Festland entfernte Insel mit der Abtei Mont Saint Michel gehen – über kilometerlange Schafwiesen. Zum Radfahren war es hier zu ungemütlich. Ich möchte dazu nicht viel schreiben, denn dieser Ort wird jährlich von knapp 2,5 Mio. Touristen besucht. Dementsprechend viele Webseiten gibt es darüber. Und dementsprechend voll ist es auch. Darauf sollte man sich einstellen.
Vielleicht kurz ein paar Tipps: Möglichst versuchen gleich ganz früh morgens zu starten und das Wochenende zu meiden. Die erste Stunde hat man dann noch halb für sich allein. Ab 9.30 Uhr kommen die ersten Busladungen mit Menschenmassen aus allen Nationen. Zusätzlich kommen noch Wattwanderer und Pilger vom Jakobsweg. In der Hauptsaison wird man viel Geduld brauchen.
Autos müssen in einem Parkhaus abgestellt werden. Der Bustransfer zur Insel vom Parkhaus und zurück ist kostenlos. Einige wenige Fahrräder standen verlassen am Eingang, die Abtei selbst kann aber nur zu Fuß besichtigt werden. Dabei sind auch einige Höhenmeter zu nehmen, denn die interessanten Gebäudeteile liegen weit oben. Etwas Kondition kann bei der Besichtigung nicht schaden. Oben angelangt genießt man eine tolle Aussicht auf das Umland. Unbedingt warme Klamotten mitnehmen, es ist sehr kalt. Mütze, Schal Regenjacke und sogar Handschuhe sind auch im frühen Oktober nicht verkehrt. Man ist den ganzen Tag draußen an der feuchten Luft im eiskalten Wind.
Massentourimus hin, Fahrradarmut her, der Besuch von Mont-Saint-Michel lohnt sich. Im Prinzip besucht man keine Abtei, sondern eine voll bebaute Felsinsel-Stadt im normannischem Baustil. Für die Besichtigung sollte man mindestens vier Stunden einplanen. Ob man auf der Pilger-Insel übernachten muss, oder ob man unbedingt die hochgelobten, aber völlig überteuerten Crêpes im Kult-Restaurant kurz vorm Ausgang essen muss, wage ich zu bezweifeln. Nächtigt man in der Pension auf dem Festland, ist guter Schlaf garantiert: Nicht nur wegen der Schafe, sondern vor allem, weil man den ganzen Tag zu Fuß in kalter Meeresluft unterwegs war – so, wie früher die Pilger.
Französische Atlantikküste: Links für Radfahrer-Innen
> radreise-wiki.de/… Die Vélodyssée mit beschriebenen Streckenabschnitten und exakten Km-Angaben für Radfahrer
> www.eurovelo.com/de/… EuroVelo 1, Atlantikküstenstrecke von Skandinavien bis zu Algarve
> vendeevelo.vendee.fr/… Ausgearbeitete Radtouren mit Streckenbeschreibungen und Fotos in der Vendée (französisch)
> www.outdooractive.com/de/radrouten/vendee/… Radfahren in der Vendée
> www.velodyssey.com La Vélodyssée – die Radtour am Atlantik (englisch + französisch)
> de.wikipedia.org/wiki/… Alles über die Vendée in der Wikipedia