Nicht alle Reparaturen am Fahrrad laufen super einfach wie von selbst ab. Hier ein Beispiel für eine Tretlager-Reparatur an meinem Pendlerbike, die ich mir wesentlich einfacher vorgestellt hatte. Normalerweise wird so was im Netz nie gezeigt, aber ich kenne es auch aus Motorradbastlerkreisen, es geht beim Schrauben öfter mal was schief – nur wird dann ungern drüber geredet. Damit wir alle was davon haben zeige ich einen Austausch meines Shimano Tretlagers, was mit schlechtem Werkzeug passieren kann, und wie man richtig festsitzende Lagerschalen dann doch noch los bekommt, bevor der ganze Fahrradrahmen im Müll landet. Die Montageanleitung kann auch für FSA-Tretlager benutzt werden. Hier handelt es sich um ein millionenfach verbautes Shimano Hollowtech II Tretlager, dessen Lagerschalen in den Rahmen (in meinem Fall ein Stevens Cityflyer von 2005) geschraubt werden. Alle Gewinde-Tretlager können nach Jahren ähnlich festsitzende Probleme verursachen, die mit dieser Anleitung hoffentlich gelöst werden können.
Generell unterscheidet man zwei- und dreiteilige Tretlagertypen. Bei dreiteiligen Tretlagern besteht der Satz aus zwei Kurbelarmen und einem einstellbaren Innen- oder Patronenlager. Bei zweiteiligen Tretlagern ist die Achse bereits an einem Kurbelarm befestigt. Bei Shimano Hollowtech II gibt es neben dem Typ “BSA” oder “ITA” aber auch Pressfit. Hierfür benötigt man ein Einpresswerkzeug. Im Gegensatz zu Pressfit gilt das BSA-Lager als relativ leicht austauschbar, da es ähnlich eines Ahead-Steuersatzes nur leicht geklemmt montiert wird. Man benötigt nur ein “günstiges” Spezialwerkzeug. Dieses sollte mir zum Verhängnis werden…
Zunächst wird die Kunststoff-Staubkappe mit einem Spezialwerkzeug entfernt, das oft mit dem Vielzahnschlüssel zur Lagerschraubung mitgeliefert wird. Die Kappe dient nicht nur dem Schutz vor Dreck, sondern auch dem Einstellen des Lagers – genauer gesagt nicht dem des Lagerspiels selbst, sondern dem des Achsspiels der gesamten Kurbelgarnitur. Ein leichtes, minimales Schleifen ist hier unvermeidbar. Die Konstruktion ist für Oldschool-SchrauberInnen etwas eigenwillig, aber dafür extrem leichtgewichtig.
Danach wird der linke Kurbelarm mittels Innensechskantschlüssel demontiert. Es sind nur zwei Schrauben mit einer mittig sitzenden Schraubensicherung einem sogenannten “Stopp-Plättchen”. Bei der Montage ist es sinnvoll hier einen Drehmomentschlüssel zu benutzen und die gesäuberten und gefetteten Schrauben mit Gefühl Step by Step anzuziehen, anstatt gleich eine Schraube anzuballern. Die Kurbel muss selbstredend exakt um 180 Grad verdreht auf den Vielzahn der Welle gesteckt werden.
Das “Stopp-Plättchen” muss genauso wieder eingebaut werden. Gereinigt versteht sich von selbst. Vielleicht noch kurz zu der Vorgeschichte: Das Tretlager ist mit ca. 7.000 Kilometern Fahrleistung vor zig Jahren schonmal von einem Händler in Gütersloh getauscht worden. Die Reparatur war allerdings derart sauteuer, dass ich es diesmal selbst versuchen wollte, zumal wir zwei dieser Räder im Haus haben. Das Rad machte beim Treten ein Klickgeräusch, dass im Sommer stärker war und im Winter verschwand. Ich konnte mir das selbst nur mit einem leichten Lagerschaden oder fehlenden Kugeln in weichem oder fehlendem Fett erklären. Das Rad hatte jetzt 20.000(!) km mehr runter.
Innen sieht man erstaunlicherweise noch recht frisch wirkendes Fett und eine rostfreie Tretlagerachse. Der gelöste Kurbelarm klemmt bei dieser Konstruktion sogar ohne die Schrauben fast immer ziemlich fest auf der verzahnten Achse. Das war auch bei dem Pressfitlager meines Cyclocrossers so. Nicht mit dem Schraubendreher zwischen dem Lagerspalt hebeln, man zerstört dadurch die Schleifscheibe aus Kunststoff, die wir wieder verwenden wollen.
Zum Lösen des Kurbelarms nutze ich einen Schraubendreher und klopfe diesen mit einem Gummihammer vorsichtig in den Spalt der Kurbel. Dadurch geht nur ganz wenig der schwarzen Farbe flöten und die Kurbel lässt sich dann mit etwas ruckeln auch nach Jahren der Benutzung leicht abziehen.
Bei anderen Tretlagerarten wie ISIS Drive® oder Octalink® ist der Kurbelarm an dieser Stelle fest geklemmt und benötigt einen Kurbelabzieher, mit dem die Kurbel von der Welle gezogen wird. Shimano hat es SelbstschrauberInnen an dieser Stelle einfacher gemacht: Es reicht aus, die Welle durch klopfen oder ganz leichten Schlägen mit dem Gummihammer herauszuziehen. Der Kunststoffring wird einfach abgezogen und gründlich gereinigt, damit kein Dreck zwischen dem Kurbelarm und dem Schleifring rumschmiergelt. Ich habe den Ring vor dem Einbau ganz dünn eingefettet – genau wie die Hohlwelle des Tretlagers.
Die Welle samt Kettenrad kann nun heraus gezogen und ebenfalls gereinigt werden. Um die beiden Lagerschalen samt Industrielager preiswert herauszudrehen, benötigt man auf jeden Fall einen solchen Vielzahnschlüssel, für ein paar Euro erhältlich bei vielen Online-Versendern. Dachte ich jedenfalls.
Unten noch gerade zu erkennen das beschriebene Kunststoffspezialwerkzeug, um die oben benannte Staubkappe herauszudrehen. Diese Werkzeug benutze ich so in meinem Leben nie wieder, denn eines der beiden Lager löste sich damit nicht…
…aber ich wusste mir ja zu helfen: Eine alte Sattelstange diente mir als Verlängerung des Hebels. Das Schrauber-Unglück nimmt ab hier seinen Lauf und ich zeige es ganz bewusst, damit ihr das keinesfalls nachmacht! Nachdem ich mit dem Tretlagerschlüssel einmal abgerutscht bin…wollte ich das Unheil nicht wahr haben und habe den Chinaschrott zum zweiten mal versetzt angesetzt. Das Lager saß bombenfest bewegte sich keinen Millimeter. Dafür bog sich der Schlüssel auf und zermatschte die extrem weiche Shimano Lagerschale. Das ehemals so filigran anmutende Vielzahnprofil war so gut wie zerstört – eine komplette Metallmatsche, völlig unbrauchbar.
Ab hier habe ich kaum noch Fotos gemacht, da ich erstmal schlucken musste. Immerhin stand jetzt der Rahmen auf dem Spiel. Zu einem Fahrradhändler wolle ich so auch nicht gehen. Die einzige Möglichkeit, die ich sah, war mit einer Metallsäge jeweils zwei tiefe Kreissegmente bis kurz vor dem Rahmen wegzusägen um dann mit einem riesengroßen Engländer die Lagerschale herausdrehen zu können. Damit wäre das Lager selbst aber auch Schrott gewesen. Noch lief es immerhin, wenn auch mit einem Klicken. Ich ging in mich und bestellte erstmal eine passende Vielzahnnuss für knapp 20,- Euro, die ich in einem letzten Versuch mit weiteren Loslöse-Tricks mit sanfter Gewalt in die zermatschten Kerben schlagen wollte.
Diesen Plan B wollte ich zunächst versuchen, war aber von großen Selbstzweifeln befallen. So war ich fast ohnmächtig gezwungen auf die bestellte Spezial-Tretlagernuss zwei Tage zu warten und nutzte die ungewisse Zeit mit reichlich Kriechöl in der Garage, welches ich im 6-Stunden-Rhythmus emsig in den Gewindespalt zwischen Lagerschale und Rahmen aufsprühte. Mindestens sechsmal. Als die Nuss dann ankam, erhitzte ich den Rahmen mit weicher Flamme eines Gasbrenners auf ca. 60-70 Grad und kühlte die Lagerschale gleichzeitig mit Eisklötzen aus der Gefriertruhe. Klingt verzweifelt, war es auch, aber hat geholfen…
Die ebenfalls gekühlte Nuss habe ich dann relativ beherzt mit einem Hammer aufgeschlagen und gebetet. Mit einem großen Drehmomentschlüssel konnte ich die knallfestsitzende Lagerschale dann tatsächlich mit Gewalt lösen. Ich vermute bis heute, dass der Händler falscherweise ein ähnlich hohes Drehmoment zur Montage angewendet hat, da sich ein Gewinde in einem Alu-Fahrradrahmen eigentlich erheblich nachgiebiger erweist. Hier hatte ich das Gefühl eine LKW-Radmutter zu lösen. Aber es hat geklappt und mein geliebtes Alltagsrad, mit dem ich bisher über 17 Jahre unterwegs war musste noch nicht auf den Schrott. Ich hab mich echt gefreut!
Das Shimano Ersatz-Tretlager BB-RS500 besteht aus den zwei Lagerschalen mit Industrielagern und einer Kunststoffhülse mit zwei O-Ringen, die beide Lager auch nach innen zum Rahmen hin abdichtet. Das ist wichtig, da viele Sattelklemmen und Sattelstangen im Regen Wasser ziehen und dieses in den Rahmen laufen kann. Nebst Fertigungspänen, Dreck durchs Sattelrohr und im Rahmen verlegten Bowdenzügen eine sinnvolle Konstruktion. Nach dem Einbau lief mein Rad zumindest subjektiv etwas leichter. Das Tretlager hält nicht ein ganzes Fahrradleben lang, ist dafür aber wirklich federleicht.
Noch ein Blick auf die alten, gekapselten Industrielager. Sie sind leider nicht zur Demontage vorgesehen. Ein Kunststoffring verhindert das Eindringen von Dreck, aber auch das Einpressen einer frischen Fettfüllung. Dafür müsste das Lager aber auch zunächst gründlichst gereinigt werden. Hebelt man vorsichtig an dem Kunststoffring herum, zerbricht er und das Lager liegt offen. Er ist zweitielig und schützt von innen und außen. Evtl. geht es doch irgendwie, wenn man mehrere alte Lager zum ausprobieren hat.
Radfahrende in einer misslichen Situation, die z.B. auf Fernreisen kein Ersatz-Tretlager bekommen, können den Kunststoffring vorsichtig entfernen, eine neue Fettfüllung einmassieren und den Ring – oder die Reste davon vorsichtig wieder aufsetzen. Das wird nicht ewig halten, aber vielleicht nochmal 2.000 km gut gehen. Das Lager muss dafür übrigens nicht unbedingt aus dem Fahrradrahmen entfernt werden, aber die Welle samt Kurbel muss herausgezogen werden.
Das Lager kann auch aus der Lagerschale mit dem passenden Werkzeug und einem Schraubstock herausgeschlagen oder herausgepresst werden. Die Möglichkeit einer irreparablen Beschädigung durch ein leichtes Verkanten ist aber ziemlich groß. Das leichte Klicken an warmen Tagen war nach der Reparatur des Tretlagers übrigens nicht verschwunden. Es war die Pedale, aber das ist eine andere Geschichte…
Tretlager wann austauschen?
Das Tretlager am Fahrrad ist ein hochbelastetes Teil, es muss auf Dauer hohe Kräfte und Drehmomente wegstecken. Um hohe Kilometerleistungen zu erreichen, müssen die Lagerschalen genau planparallel satt am Rahmen aufliegen, da die Kugellager selbst recht klein dimensioniert sind, um Gewicht zu sparen. Wenn das nicht der Fall ist, muss die Auflagefläche am Rahmen plan gefräst werden. Das ist eher etwas für die Fahrradwerkstatt, außer man kommt an das dafür notwendige Spezialwerkzeug heran. In Fachkreisen spricht man von einer durchschnittlichen Tretlager-Lebensdauer von 8.000 bis 15.000 Kilometern. Mein Shimano BSA Gewinde-Tretlager Hollowtech II hat über 17.000 km Pendlerstrecke gehalten, richtig kaputt war es danach immer noch nicht. Aber nach der Reparatur hatte ich trotzdem ein besseres Gefühl. Neben Lenkkopflager, Getriebenabe, Felgen und Vorderradachse, gehört es zu den seltener zu wechselnden Verschleißteilen am Drahtesel.
Beim Verschleiß am Fahrrad kommt es eben darauf an, wie intensiv das Material herangenommen wird. Es ist ein Unterschied, ob ich mit einem MTB Downhill im Matsch fahre und meterweit springe oder nur in der Sommersaison ein Rad moderat bewege. Wenn ein Tretlager knackt, schleift, rumpelt, quietscht, leicht wackelt oder rau läuft ist das ein eindeutiges Alarmsignal, das man wirklich ernst nehmen sollte, denn die Reparatur ist ohne Austausch quasi unmöglich. Die Prüfung dazu: Einmal die Kette abnehmen und mit der Hand durchdrehen fördert meist sofort den vermuteten Zustand zutage. Reparieren oder Nachstellen kann man das Lager nicht, ein kompletter Austausch ist sinnvoller. Auch das kleinste Spiel ist hier ein Nogo.
Knackt oder klickt es nach dem Austausch weiter, liegt es meist an der Sattelklemmung, den Speichen oder an den Pedallagern – manchmal auch an der Lenkerklemmung.