Die Kupplungen der alten SIMSON-Kleinkrafträder gelten samt Primärantrieb allgemein als sehr robust. Bei nur 50 ccm und knapp 4 PS wird die Kupplung jedoch beim Anfahren stark beansprucht. Vor allem, weil beim M541-Motor nur ein manuelles 4-Gang Schaltgetriebe zum Einsatz kommt. Um beim Ampelspurt PKW-ähnlich mithalten zu können, fehlt eigentlich noch ein fünfter oder sechster Gang wie bei den japanischen Kleinkrafträdern der 80er Jahre. Doch hier zeigte sich die damalige DDR zu geizig. Und bis heute leiden vor allem die älteren 3-Gang Schwalben an einem vernünftigen Ganganschluss beim Hochschalten: Als Folge dient die schleifende SIMSON-Kupplung als Vermittler zwischen fehlendem Drehmoment und zu wenig Gängen. Das führt bei ausgenudelten Dreigang-Motoren mit nur noch wenig Drehmoment auf Dauer zu hohem Verschleiß
Meinen SIMSON SR50 Roller, Baujahr 1990 habe dieses Jahr durch viel Radfahren erst im heißen August mittels deutlich vergünstigtem Versicherungskennzeichen zugelassen, eigentlich stand der Roller die letzten acht Jahre für maximal drei bis vier Ausfahrten pro Jahr nur noch in der Garage. Ich habe noch eine MZ ES-250/2 von 1969, das stellt den SIMSON-Roller seit Jahren einfach in den Schatten. Trotzdem habe ich mir nach jeder kurzen Fahrt mit der Simme geschworen, den Vorwende-Roller nie unbedacht zu verkaufen, weil der leichte Zweitakter vor allem an heißen Sommertagen für helle Freude sorgt.
Gerade das Jahr 2018 war durch den extrem heißen und langen Sommer ein ausgeprochen gutes Rollerjahr: Statt sich in dicken Motorradklamotten in der Sommerhitze aufs Motorrad zu setzen, wurde der SR50-Roller vor allem deshalb wieder interessant, weil ich mich ausnahmsweise auch mal ohne Schutzkleidung im T-Shirt mit langer Jeans und Sommerhandschuhen drauf setzen konnte. Ein italienischer Scooter-Traum mitten in Deutschland: Zwei Monate kein Regen, brüllend heißer Asphalt, gleißende Sonne, Tropennächte, gute Laune durch viel Vitamin D. Das perfekte Rollerwetter Tag und Nacht – zehn Wochen lang – das war ein ganz neues Gefühl. Naß geschwitzt bei Temperaturen von mehr als 35 Grad konnte ich mich bei jeder kurzen Fahrt auf dem SR50 einfach wieder trocken fönen. Ohne gleich mit einer Erkältung zu bezahlen.
Ich bekam schon nach den ersten Fahrten Lust auf eine große Inspektion, die sich in den letzten acht Jahren aufs Batterieladen im Winter und Reifen aufpumpen im Sommer beschränkte. Zuverlässig war die SIMSON trotzdem immer. Jetzt wollte ich ihn mit all meinem Schrauberwissen wieder auf Vordermann bringen. Es begann alles mit einer neu geschliffenen original DDR-Laufgarnitur, die ich noch vor sich hin rostend im Keller liegen hatte. Um die heulenden Geräusche des Getriebes gänzlich zu eliminieren, bedurfte es eines neuen Primärantriebs, am besten gleich samt neuer SIMSON-Kupplung.
SIMSON Kupplungsausbau und benötigte Teile zum Austausch des Primärantriebs
Teileliste SIMSON Primärantrieb und Kupplungspaket
- Neues Primärritzel mit Sicherungsscheibe, neue Halbmond-Passung
- Neues Primär-Antriebsrad -“Kupplungskorb”
- SIMSON Kupplungspaket oder einzelne Lamellen (Achtung: Die Federscheibe kann nicht selbst ohne Presse so einfach eingepresst werden)
- Gehäusedichtung für den Kupplungsdeckel
- 400 ml Getriebeöl SAE 80 W, GL3 oder GL4 ohne Molykotezusatz, da sonst die Kupplung durchrutscht
- 2 Anlaufscheiben, Dichtungsmasse, Klauenabzieher oder Gasbrenner / Heißluftfön, evtl. ein paar Kleinteile
SIMSON Kupplung austauschen – Vorbereitungen
Ich hatte beim Wechsel der Kurbelwellendichtringe 2007 den Fehler gemacht, das abgezogene Primärritzel bei der Montage falsch herum aufzustecken. Die Richtung der Schrägverzahnung passt zwar ebenfalls, aber die bereits eingelaufenen Zahnräder machten sich dann akkustisch bemerkbar – spätestens beim Runterschalten stellten sich mahlende Geräusche ein. Ich bin mit “diesem Wessi-Montagefehler” mindestens 13.000 Km weit gefahren und wollte ihn nun endlich beheben.
Evtl. hätte ein neues Ritzel allein gereicht. Aber die Kupplung wollte ich bei dieser Aktion natürlich gleich mitwechseln. Die SIMSON Kupplungsfeder samt Lamellen sind ohne Spezialwerkzeug bzw. Presse in der Hobbywerkstatt mit nur einem kleinen Schraubstocknicht so einfach auszutauschen. Deshalb bestellte ich gleich einen komplett neuen Primärantrieb. Leider sind die SIMSON-Ersatzteile mittlerweile recht kostspielig geworden: 120,- Euro kosten das komplette SIMSON Kupplungspaket mit neuem Antriebsrad plus Ritzel zzgl. Kleinteile. Ein stolzer Preis für knapp 4 PS.
Die Demontage eines jeden SIMSON-Kupplungsdeckels beginnt mit dem Ablassen des Getriebeöls. 400 Milliliter SAE 80W-GL3 oder GL4 kommen beim M541 Motor rein. Knapp 280 Milliliter schwarze Suppe kamen bei mir heraus. Der Motor des SIMSON-SR50 Rollers ist leicht schräg eingebaut, das Öl läuft daher aus dem Motorinneren nicht ganz ab. Ansonsten ist ein Ölwechsel ist bei allen SIMSON-Mopeds ein recht einfaches und günstiges Vergnügen. Lediglich zusätzliche Öl-Additive wie Molykote-Zusatz bzw. Automatikgetriebeöl darf man keinesfalls einsetzen, sonst können ältere Kupplungen durchrutschen.
Die SIMSON-Ölablassschraube ist magnetisch. Statt eines Ölfilters sammeln sich hier die schädlichen Metallpartikel – zumindest die aus Stahl – Aluminiumabrieb ist nicht magnetisch. Wie man an dem Metall-Igel auf dem Foto sieht, funktioniert dieses einfache Prinzip sehr gut. Die Metallpartikel werden natürlich entfernt. Auch im Kupplungsgehäuse finden sich oft versteckte Ecken mit schwarzem Ölsumpf, der unbedingt entfernt werden muss. Bei regelmäßigem Ölwechsel sollte das eigentlich nicht vorkommen. Riecht das Getriebeöl deutlich nach Kraftstoff, so kann man sicher sein, dass die Kurbelwellendichtringe (“die Simmerringe”) defekt sind. Diese müssen unbedingt ausgetauscht werden, da der Motor sonst irgendwann nicht mehr anspringt, bzw. gleich im Standgas aufheult und – gefährlich: Falsche Luft zieht, zu heiß wird und fest geht. Meist bleibt man aber einfach nur stehen… Die Kurbelwellendichtringe sitzen beim M 541 Motor direkt hinter dem Antriebsritzel. Wer den Zustand nicht kennt, sollte den Simmering auf jeden Fall gleich mit wechseln und hat dann jahrelang Ruhe, zumindest wenn man etwas teurere Qualitätsringe einsetzt (Vitonringe in braun oder grün), statt billigen Plunder.
Das Gleiche gilt für die Zündungsseite hinter dem Lichtmaschinendeckel. Ist die Zündung einmal demontiert, lässt sich der Kurbelwellendichtring dahinter in ein paar Minuten ganz einfach austauschen. Bei den älteren SIMSON-Motoren muss dafür der Motor ausgebaut und geöffnet werden, weil die Simmerringe innen sitzen. Eine ungleich aufwendigere Reparatur mit vielen Stunden Werkstattarbeit. Zumeist steht dann auch gleich eine komplette Motorrevison an: Neue Lager, neue Dichtungen, neue Anlaufringe usw.
Wie blockiert man den Kurbeltrieb eines Zweitaktmotors ?
Um die großen Muttern des Primärritzels, des Antriebsritzels oder der Kupplung zu lösen, muss in aller Regel der Kurbeltrieb bzw. das Getriebe blockiert werden. Ohne Spezialwerkzeug verzweifeln viele Anfänger schlicht an dieser Aufgabe. Der Kompressionswiderstand des Motor reicht in aller Regel nicht aus, zumal die komprimierte Luft auch noch federnd nachgibt. Es gibt zwei Methoden, den Antrieb ohne Spezialwerkzeug zu blockieren:
A) Der unschöne Klassiker: Großen Gang einlegen und ein Helfer setzt sich auf das Zweirad mit gezogener Hinterradbremse (geht vor allem auf die Antriebskette)
B) Der Seil-Trick: Kerze herausschrauben und ein dickes, stabiles Seil in den Brennraum stopfen. Der Kolben ist damit im OT samt Getriebe blockiert. Diese Methode geht auf das Pleuel samt Lager. Ich hafte ausdrücklich nicht dafür, falls bei diesem Trick etwas schief geht, habe damit bisher aber immer gute Erfahrungen gemacht. Achtung: Diesen Trick niemals beim Viertaktmotor anwenden, der empfindliche Ventiltrieb kann dadurch ernsthaft beschädigt werden!
Ist der Motor blockiert, kann die Mutter auf der Kurbelwelle mit einer ungewöhnlichen 16er Nuss bzw. einem Ringschlüssel entfernt werden. Vorher müssen natürlich die Sicherungs-Blechscheiben zurück gebogen werden. Für das Kupplungsrad brauchen wir eine ebenfalls recht seltene 18er Nuss, ein normaler Ringschlüssel passt hier nicht. An diesen Präzisionsteilen dürfen keine Werkzeug-Kompromisse gemacht werden: Falls die nötigen Tools nicht zur Verfügung stehen, kann man sie vielleicht ausleihen. Keinesfalls Hammer, Zangen, Gewalt etc. einsetzen! Sind die Muttern auf der Kurbel- und Kupplungswelle gelöst, gibt es oft das nächste Problem:
Das Antriebsritzel sitzt bei SIMSON-Motoren bombenfest in seiner Passung und geht nicht ab. Sehr gut ist es, das Ritzel mit einem Klauenabzieher von der Kurbelwelle zu ziehen. Dieser war bei mir “dauerverliehen”. Da ich sowieso ein neues Ritzel verbauen wollte, habe ich erfolglos versucht, das alte mit einer Wasserpumpenzange abzuziehen. Die Wahrscheinlichkeit, die Verzahnung oder das Gewinde der Kurbelwelle dabei zu zerstören liegt bei gut 90%. Deshalb erwärmte ich das Ritzel mit einem kleinen Brenner auf ca. 100 Grad Celsius. Die Kurbelwelle muss dabei möglichst kühl bleiben. In schwierigen Fällen kann sie mit einem gefrorenen Tuch, Kältespray etc. gekühlt werden. Danach lässt sich das Ritzel leicht abziehen.
Auf dem Kurbelwellenstumpf sitzt bei SIMSON ein winziger Halbmond, der das Primärritzel mittels einer Passung fixiert. Dieser klitzekleine Halbmond ist nur lose auf die Kurbelwelle gesteckt und fällt bei der Demontage des Ritzels gerne einfach auf die Erde, in die Altölwanne oder klebt unbemerkt im Kupplungsgehäuse. Es gehört jedenfalls zu den Teilen, die plötzlich fehlen, verschwinden oder die man durch die perfekte Tarnung nie wiederfindet. Deshalb bestelle ich diesen Halbmond bei Arbeiten an Passungen immer als Ersatzteil mit. Er kostet nur ein paar Cent, muss aber auf hundertstel Millimeter genau passen. An so einer Passung darf keinesfalls gepfuscht werden.
Hinter dem bronzegelagerten Kupplungskorb sitzt eine passgenaue Anlaufscheibe und zwischen dem Kupplungspaket und dem Kupplungskorb eine weitere. Soweit ich die SIMSON-Fachliteratur verstanden habe, soll die Höhe beider Anlaufscheiben ein axiales Spiel von 0,3 Millimetern ergeben, wenn die Kupplung auf der Antriebswelle montiert ist. Dazu gibt es diese Scheiben in 1, 1,2, 1,4 und 1,6 Millimeter Dicke im SIMSON-Fachhandel. Ich habe einfach die alten Scheiben wieder eingebaut… Die Welle hatte kein Spiel, ließ sich aber leicht drehen. Ich denke mal das passt schon so.
Montage des Primärantriebs und der neuen SIMSON Kupplung
Der neu eingebauten Primärantrieb im äußerlich schmutzigen Motor. Ich habe mich irgendwann in den letzten Jahren davon verabschiedet einen sauberen SIMSON-Motor zu fahren. Da er im Blechkleid des Rollers optisch fast unsichtbar eingebaut ist, ist das kein echter Makel. Obwohl der Motor nicht tropft versprüht er bei Vollgas gern das eine oder andere Ölwölkchen. Wichtig ist aber, die Dichtfläche wirklich penibel zu reinigen, nachdem die alte Kupplungsdeckeldichtung entfernt wurde.
Wer keine neue Dichtung zur Hand hat, kann das Gehäuse auch nur mit Gehäusedichtmasse wie z.B. Hylomar, Dirko oder einer Silikonmasse abdichten. In schwierigen Fällen ist es dadurch oft erheblich leichter, ein undichtes Gehäuse doch dauerhaft dicht zu bekommen. Bei der nächsten Demontage geht die Dichtungsmasse von beiden Gehäuseteilen aber nur mit hohem Aufwand wieder ab. Das ist der Vorteil einer Papierdichtung, die man sich übrigens mit günstigem Dichtungspapier auch selbst zuschneiden kann. Ein großer Bogen Dichtungspapier hat sich bei mir schon oft als Retter an langen Wochenenden erwiesen, wenn die passende Dichtung beim Schrauben gerade mal wieder fehlt. In ganz harten Fällen unterwegs funktioniert übrigens auch eine selbst geschneiderte Dichtung aus einer Tetrapack-Verpackung. Das SIMSON-Kupplungsgehäuse ist dafür aber wahrscheinlich schon zu groß.
Die fast fertig montierte Kupplung samt neuem Primärantrieb von der Seite. Das Gehäuse wurde nochmal sauber ausgewischt, alle Muttern sind mit Blechsicherungen gesichert und eine neue Dichtung ziert das Gehäuse. Jetzt noch die Druckplatte montieren und dann kann die neue SIMSON-Kupplung eingestellt werden, bevor der Kupplungsdeckel montiert- und das frische Getriebeöl eingefüllt wird. Der nächste Ölwechsel ist laut SIMSON-Handbuch erst wieder in 8.000 Kilometern nötig.
SIMSON Kupplung richtig einstellen
An dieser Schraube wird bei SIMSON das Kupplungsspiel eingestellt. Die original ESKA-Kontermutter stammt noch aus der DDR-Zeit. Bei einer neuen SIMSON-Kupplung sollte der Bowdenzug am Lenker zunächst ganz in den Kupplungsgriff eingedreht werden. Mit der Einstellschraube am Motor stellt man das Kupplungsspiel danach so ein, dass der Kupplungsgriff ca. fünf Millimeter Spiel hat, bevor die Kraft der Kupplungsfeder im Kupplungshebel spürbar wird. Die Kupplung trennt auf den ersten Metern übrigens noch nicht ganz perfekt, da sich die neuen Lamellen erst noch setzen müssen. Ist das Getriebeöl erst einmal richtig warm geworden, sollte die Kupplung auch sauber trennen, sonst stimmt etwas nicht. Rutscht sie trotz korrekter Montage durch, wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit ein falsches Automatikgetriebeöl mit Molykote statt dem bewährtem GL3 oder GL4 verwendet.
Ich möchte hier keine Werbung für Öl machen, aber bewährt hat sich bei mir z.B:
- Liqui Moly 1020 Getriebeöl (GL4) SAE 80W für den SIMSON-Roller oder
- das etwas dickflüssigere Addinol Getriebeöl GL 80W (GL3) für die MZ ES 250/2
Die SIMSON-Kleinkraftradgetriebe liefen früher sogar mit normalem Wald- und Wiesen-Motorenöl. Also bei rutschender Kupplung lieber einfaches Getriebeöl statt ein teures Hochleistungsöl nutzen. Nach den ersten 20 Kilometern muss das Kupplungsspiel bei neu verbauten Lamellen meist nochmal nachgestellt werden.
Die fabrikneuen Antriebsräder machen beim Fahren nun kaum noch Geräusche. Die Schrägverzahnung sorgt für einen leisen Lauf. Gerade verzahnte Antriebsräder wären deutlich lauter, haben dafür aber einen etwas höheren Wirkungsgrad. Sie sind für die SIMSON-Motoren sogar optional “als Tuningteile” erhältlich. Auch das das neue Getriebeöl macht sich positiv beim Schalten bemerkbar. Die Gänge flutschen nach dem Ölwechsel spürbar präziser rein.
Beim SIMSON-SR50 Roller müssen nach Arbeiten am Motor immer noch die Trittbretter montiert werden. Das Foto zeigt die noch fehlende Öl-Kontrollschraube über dem Schaltgestänge. Sie dient beim SIMSON-Roller allerdings nur als grober Anhaltspunkt. Läuft das Getriebeöl da heraus, fehlt immer noch etwas Öl, da der Niederflur-Motor schräg eingebaut ist. Der korrekte Ölstand muss hier anderes ermittelt werden: Dazu wird eine Fahrradspeiche oder ähnliches in die Öleinfüllöffnung geführt und so tief hineingesteckt wie möglich. Nach dem Herausziehen soll der gemessene Ölstand auf der Speiche vier Zentimeter betragen. Wird zuviel Öl eingefüllt, bremst dies die Motorleistung spürbar aus, da der Motor dann als Rührwerk arbeiten muss.