Fahrrad Geräusche finden und vermeiden

Wenn ein Fahrrad von einem Tag auf den anderen plötzlich grundlos an zu knarzen fängt, ist nicht immer eine Schraube locker. Knackgeräusche, die man beim Treten schlecht orten kann, entstehen oft durch aneinanderreiben von Metallteilen, insbesondere bei Aluminiumrahmen.

 

Bei einer Radtour können ungewöhnliche Geräusche vom Fahrrad auf Dauer ziemlich nerven. Oft ist das Knarzen unregelmäßig, stoppt man das Pedalieren, ist es meist weg. Viele Radler denken spontan an das hochbelastete Tretlager, ein gebrochenes Rahmen-, Lenker-, oder ein defektes Sattelteil oder an den Antriebsstrang. Es klingt oft, wie eine Hollywoodschaukel, die seit 30 Jahren im Regen vor sich hin rostet. Selbst versierte Schrauber suchen manchmal tagelang nach dem Problem und finden keinen Grund. Aber das Geräusch tritt nicht jeden Tag auf, sondern nur manchmal?

Geräusch-Verursacher lokalisieren

Durch einen einfachen Trick kann man das Problem eingrenzen: Stehen sie beim Treten auf und Pedalieren sie weiter. Ist das Knarz-Geräusch weg, liegt es mit hoher Wahrscheinlichkeit am Sattel, bzw. besser gesagt an der Sattelstange. Denn auch, wenn diese seit Jahren unangetastet festgeballert war, macht eine arbeitende Rohr-in Rohrkonstruktion aus Aluminium plötzlich undefinierbare Geräusche wie Knatschen, knacken, bis hin zum dumpfen quietschen.

 

 

Der Grund für Knatsch-Geräusche beim Radfahren

Knarzendes Sattelrohr durch eingedrungendes Wasser und Dreck

Knarzendes Sattelrohr durch Wasser und Dreck am Klemmschlitz

Bei meinem alten Stevens-Rad von 2005 ist das berühmte Knarzen zum ersten Mal erst nach ca. 10 (!) Jahren aufgetreten. Und zwar nach einer heftigen Regenfahrt. Ich drehte alle Sattelschrauben fester, das Geräusch wurde leiser, kam aber bald wieder. Ich erinnerte mich: Sattelstangen sollen regelmäßig eingefettet werden. Was für Otto-Normalschrauber erstmal komisch klingt, da der Sattel ja möglichst fest klemmen sollte, hat einen Grund: Das Sattelrohr ist oben geschlitzt, damit die Sattelklemme das Rahmenrohr zusammendrücken kann. Bei Regenfahrten (zumindest ohne vollwertige Schutzbleche) laufen kleine Mengen Wasser am Sattelrohr entlang in die Klemmung.

 

Eingefettetes Sattelrohr mit deutlichen Klemmspuren

Eingefettetes Sattelrohr mit deutlichen Klemmspuren

Die Klemmung des Sattelrohrs erzeugt durch ihren äußerst engen Durchmesser noch eine zusätzlich Kapillarwirkung. Diese verteilt das Wasser samt winzigen Schmutzpartikel rund um die Sattelstangenklemmung im innen unlackierten Fahrradrahmen. Irgendwann löst sich die Farbe der Sattelstange und blankes Aluminium reibt aufeinander. Alu rostet zwar nicht, aber es bildet eine stumpfe Oxidschicht, bzw. z.B. mit Taumittel auch Salze – sprich chemische Reaktionen. Durch das Körpergewicht des Radfahrers bzw. der Radlerin bewegt sich die Sattelstange beim Treten im Millimeterbereich hin und und her und arbeitet den winzigen, chemischen Cocktail noch mit Kraft richtig in das Material ein. Dieses reagiert irgendwann durch unschöne Geräusche. Selbiges Phänomen tritt übrigens auch gern bei Falträdern auf, deren Hauptrahmenteile ebenfalls gesteckt, geklemmt oder verschraubt werden. Bei meinem Dahon-Faltrad hatte ich je nach Witterung das Problem von Knarz-Geräuschen sogar ohne Wassereinwirkung. Tipp: Eine richtige Montagepaste erhöht die Reibung der Rohrklemmungen. So können Schrauben mit 30% weniger Kraft angezogen werden. Dadurch bleiben Gewinde und Klemmungen länger in einwandfreiem Zustand. Fett funktioniert ebenfalls, bringt die Teile naturgemäß aber eher zum rutschen…

Kleiner Hinweis wie immer: Für keinen der folgenden Tipps übernehme ich Verantwortung. Bitte schrauben Sie nur selbst am Fahrrad herum, wenn sich mit Fahrradreparaturen auskennen!

 

Wie bekommt man die nervigen Geräusche beim Radfahren weg?

Ganz einfach: Sattelstange mit kleinem Strich markieren, um die gewohnte Sitzhöhe zu markieren, ausbauen, säubern und mit gutem Fett oder noch besser mit Montagepaste dünn einschmieren. Sattelklemme (soweit möglich) entfernen, und ebenfalls innen ganz dünn einfetten. Beide Teile wieder fest montieren. Probefahrt machen und sich wahrscheinlich freuen. Zur Not funktioniert das während einer Tour kurzfristig auch mit Handcreme bzw. Vaseline, Sonnencreme oder ähnlichem.

Sattelklemme gedichtet und ungedichtet im Vergleich

Sattelklemme gedichtet und ungedichtet im Vergleich

Auch die Sattelklemmung macht gern mal Geräusche

Auch die Sattelklemmung macht gern mal Geräusche

Carbon-Rahmen dürfen niemals mit Fett behandelt werden, sondern erfordern eine spezielle Carbon-Montagepaste. Bei Stahlrahmen funktioniert das Einfetten übrigens auch ganz ausgezeichnet, weniger wegen nerviger Geräusche, sondern weil sie besonders gern von innen rosten. Ist das Knarzen dann noch nicht weg, empfehle ich auch die Klemmschraube des Sattels zu lösen, alles zu demontieren, zu reinigen und wieder zu montieren. Die Klemmstellen können bei hartnäckigen Fällen ebenfalls hauchdünn eingefettet werden, normalerweise werden sie trocken montiert – aber eben auf jeden Fall wirklich sauber!

 

Gedichtete Sattelklemme eingefettet

Auch die gedichtete Sattelklemme wird leicht eingefettet

Seit ich öfter bei Regenwetter fahre, tritt das Knarz-Geräusch nun aber mit schöner Regelmäßigkeit jährlich bei meinem Alu-Esel auf. Ich habe mir aus diesem Grund eine abgedichtete Satttelklemme geleistet, die mit einem kleinen Gummi den Klemmschlitz abdeckt und das Sattelrohr mit einer Manschette am Schaft abdichtet. Wasser kommt nun nicht mehr so leicht rein. Ich werde von dem weiteren Ergebnis hier berichten… Bei älteren Rädern quietscht oder knarzt manchmal auch das Satteloberteil aus Kunststoff vorn im Metallgestell leise vor sich hin. Meist verschwindet das Geräusch schon durch beherzte Handschläge von vorn oder hinten. Nachtrag Nov. 2022: Die Gummidichtung bringt leider nicht viel! Nachtrag März 2023: Man kann in hartnäckigen Fällen auch einfach zwei Sattelklemmen übereinander montieren!

 

 

 

Weitere Stellen am Rad, die gern Töne von sich geben

Knarzen oder knacken am Fahrrad durch lenkkopflager oder Ahead-Vorbau

Geklemmter Ahead-Vorbau mit Lenkkopflager

Falls sich das nervige Geräusch so nicht beseitigen lässt, gibt es noch weitere, typische Knack-, Knarz und Knirsch-Stellen. Man geht dabei nach der Trial and Error-Methode vor, sprich: Da anfangen, wo möglichst wenig Arbeit entsteht. Kommen die Geräusche eher von vorn aus der Lenkergegend, fährt man die gleiche Strategie:

Lenkervorbau macht Geräusche

Befestigungsschrauben am Lenkervorbau

Knacken oder Knarzen von vorne

Die Schrauben der Lenkerklemmung lösen, Klemmung u. Lenker reinigen, wieder montieren. Auch der Ahead-Vorbau oder die Lagerschalen eines verschlissenen Steuersatzes können knacken. Bei den Lenkkopflagern hilft zumindest bei Winterradfahrern viel Fett! Auseinander bauen, reinigen, alles gut fetten, oder evtl. gleich neue Lager einsetzen und wieder montieren siehe Anleitung hier. Bitte nur dann selbst machen, wenn Sie sich handwerklich am Rad auskennen, nach dem Lösen des Ahead-Vorbaus muss das Lagerspiel neu eingestellt werden. Ansonsten ist das ein Fall für die Werkstatt.

 

Knarzen durch loses Kettenrad am Fahrrad

Fahrrad-Geräusche durch loses Kettenrad

Knacken Knarzen von unten

Nicht nur bei Kettenschaltungen lösen sich gern mal die flachen Schrauben der Kettenblätter bzw. des Kettenblatts von der Tretkurbel. Diese Verbindungen alle mit dem Innensechskantschlüssel überprüfen. Vermuten Sie die Ursache hier, empfehle ich die Demontage des /der Kettenblätter, säubern, einfetten und mit dem richtigen Drehmoment wieder zusammenbauen. Auch die Pedallager sind hochbelastete Bauteile, insbesondere bei Regenfahrten. Normalerweise bemerkt man ein nicht intaktes Pedallager beim Drehen mit der Hand durch zu viel Spiel, Rubbeln oder durch Schwergängigkeit – dann, Sie ahnen es: Demontieren, säubern, neu fetten, Lager einstellen oder gleich durch neue Pedalen ersetzen. Sie sitzen übrigens ab Werk gern bombenfest. Ohne passenden Pedalschlüssel ist die Demontage mit einem Inbus- oder 15er-Maulschlüssel nicht ganz ungefährlich bis unmöglich. Noch schwieriger wird die Suche nach Geräuschen beim Tretlager. Erst bei Freilauf ohne aufliegende Kette, kann man hier von außen etwas beurteilen, außer das Lager hat schon Spiel. Dann sollte es schon aus Sicherheitsgründen unbedingt ausgetauscht werden, hier walten hohe Kräfte! Für die Demontage des Tretlagers benötigen Sie wieder Spezialwerkzeug. Fast immer wird in der Werkstatt gleich ein neues Tretlager montiert, um den Demontageaufwand wirtschaftlich zu machen und dieses Verschleißteil von der Fehlersuche auszuschließen.

 

Knacken oder Knarzen von Scheibenbremsen und Federungen

Auch das soll es trotz Schraubensicherung geben: Die Schrauben der Bremsscheiben bzw. des Centerlocks haben sich gelöst. Nun arbeitet das Material der Bremsscheibe an den Naben. Unbedingt festziehen, sonst kann es gefährlich werden. Schwingen und Cantilever-Aufhängungen geben auch gern Geräusche von sich, wenn die Lager trocken, dreckig oder verschlissen sind. Eine neue Fettfüllung bewirkt auch hier oft Wunder.

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