Wer konnte früher am schnellsten Radfahren? Dieses Spiel haben wohl fast alle RadlerInnen in unbeschwerten Kindertagen mal gespielt. Heute läuft vieles über federleichte Aero-Räder, gezielte Trainingseinheiten und “Upgrades” z.B. in Form von teuren, aerodynamischen Carbonfelgen im vierstelligen Euro-Bereich. Aber reizvoll ist das Thema “schnelles oder eben leichteres Radfahren” auch in der heutigen Zeit als Erwachsener immer noch. Ganz abgesehen von sportlich-ehrgeizigen Zielen sind da zum Beispiel die E-Bikes, deren Akkus länger halten, wenn sie mit weniger Widerstand rollen. Und die BerufspendlerInnen, die vor allem im Winter mit ihrer Kraft haushalten müssen. Es gibt also viele Gründe auch als Otto-Normal-RadlerIn auf ein schnelles Rad zu steigen. Wer schon mal den Unterschied zwischen einem trägen Baumarktfahrrad und einem schnellen Rennrad kennenlernen durfte weiß, dass es durchaus angenehm und erstrebenswert ist, auf dem Drahtesel ein paar Watt weniger zu verbraten, um weiter, schneller und einfacher von A nach B zu kommen.
Die Frage ist nur, wie macht man das am besten, denn es gibt ja viele unterschiedliche RadlerInnen-Zielgruppen? Ich habe in den letzten Jahren beim Berufspendeln (44 km hin und zurück) viele Erfahrungen gemacht, wieviel was bringt. Wir beginnen einfach mal mit den preiswerten und am wenigsten aufwendigsten Maßnahmen für den durchschnittlichen AllerweltsradlerInnen, die sich einfache, kostengünstige und effiziente Maßnahmen wünschen: Die Erhöhung der Radfahrleistung durch Senkung der Fahrwiderstände.
Körperliche Fitness
Nur ganz kurz: Es dürfte jedem einleuchten, dass schnelle RadlerInnen natürlich eine sehr gute Kondition haben, mit der sie ausdauernd und sehr schnell fahren können. Auch bergauf oder bei Gegenwind. Die körperliche Fitness ist die Grundvoraussetzung zum schnellen radeln und die gibt es nur durch regelmäßiges Training, gezieltem Muskelaufbau und Gewichtsreduktion durch gezielte Ernährung. Eine schnelle Radsportlerin wird auch mit schlechtem Equipment noch an untrainierten Bürohengsten mit teurem Material vorbeiziehen.
Es gibt unter Radsportlern übrigens ein offenes Geheimnis zum Thema langjährigem Fahrrad-Training: “Es wird nicht leichter – Du wirst nur schneller…!” In diesem Sinne lohnt es sich auch aus gesundheitlichen Gründen, das Fahrrad als alltägliches Trainingsgerät zu nutzen. Schneller wird man dann fast automatisch. Und dazu noch athletischer. Radprofis raten auch dazu, mit anderen in der Gruppe zu fahren. Die Gruppe fördert neben dem Windschatten den Ehrgeiz, weil man auch mal an seine Grenzen geht und härter trainiert als nur auf der chilligen Hausrunde. Man versucht natürlich mit der schnellen Gruppe mitzuhalten. Gleichzeitig wird das Selbstbewusstsein gestärkt, auch wenn es mal nicht gelingt. Nebenbei ist es auch ohne sportliche Ambitionen einfach ein sehr befriedigendes Seelengefühl, sich quasi mit dem absoluten Technik-Minimum möglichst effizient und zügig aus eigener Kraft über zig Kilometer fortzubewegen und irgendwann am Ziel anzukommen. Davon können Körper und Geist nach der Tour stundenlang zehren und letzten Endes ist es der Sinn des Radfahrens. Wer dabei regelmäßig im Training bleibt, kann sich auf einen leistungsfähigen Körper voll verlassen.
Wieviel Speed auf dem Bike ist möglich?
- Die Durchschnittsgeschwindigkeit der Tour de France über alle Etappen hinweg liegt bei ca. 40 km/h
- Die Höchstgeschwindigkeit von Profi-RadfahrerInnen bergab kann über 100 km/h liegen
- Mit dem Rad im Windschatten hinter speziell präparierten Autos liegt der Rekord in Deutschland bei über 166 km/h
- Bahnradfahrer bringen es in der Ebene in der Endgeschwindigkeit auf über 70 km/h
- Auf dem Rennrad schaffe ich meine Hausrunde von 27 km in einer Stunde
- Zur Arbeit mit 5-6 kg Gepäck benötige ich für einen einfachen Weg von 22 km auf meinem Pendlerrad ca. 1 Stunde
- Radreisende mit Gepäck fahren auf einer Tagestour ca. 80-100 km – gemütlich 70 km, sportlich 120 km
- Radprofis bringen es im Wettkampf auf bis zu 0,4 kW, sportliche Radfahrer auf bis zu 0,2 kW, untrainierte schaffen 0,075 kW langfristig
Aerodynamik optimieren für Wald- und WiesenradlerInnen
Einer der allerwichtigsten Faktoren bei der Optimierung der möglichen Maximalgeschwindigkeit auf dem Fahrrad ist die Aerodynamik. Je geringer der Luftwiderstand, desto spürbar leichter ist es für Sie sich mit dem Fahrrad fortzubewegen. Da der Luftwiderstand quadratisch mit der Windgeschwindigkeit wächst, ist eine Optimierung hier am Effizientesten. Um den Luftwiderstand zu minimieren, gibt es einige Dinge, die unbedingt beachtet werden müssen, sonst bleiben die Erfolge der anderen Maßnahmen aus. Oberstes Gebot ist das Tragen windschnittiger Kleidung: Eine enganliegende Radlerhose oder ein Jogging-Tight samt windschnittiger Jacke machen extrem (!) viel aus.
“Binsenweisheit: Beim Radfahren kommt der Wind immer von vorn!”
Das alltägliche Gegenteil sieht man unglaublich oft im Flachland: RadlerInnen mit offener, im Wind flatterndem Mantel, oder mit Brems-Poncho in Hundehütten-Aerodynamik bei Regen mit hohen Stiefeln. Fahren Sie mal 10 Kilometer in einer weiten, nass gewordenen Jeans – es ist eine Tortur. Alles, was auch nur geringfügig im Fahrtwind flattert kostet viel Energie in Form von spürbar erhöhtem Luftwiderstand. Z.B. auch die beliebten Fußballflagge an Autos zu Weltmeisterschaftsspielen – Pkws verbrauchen damit nachweislich einen halben Liter mehr Benzin. Auch die Position der Radfahrenden auf dem Fahrrad beeinflusst natürlich die Aerodynamik des Rades erheblich. Je enger der Radfahrer mit dem Rad verschmilzt, desto geringer ist der Luftwiderstand. Dieser optimale cW-Wert wird in der Regel erreicht durch einen niedrigen Lenker, enganliegende Kleidung, eine schmales Rad mit möglichst geringer Stirnfläche sowie weiteren aerodynamischen Optimierungen wie z.B. einem verkleideten Hinterrad “Scheibenrad” einem Aero-Helm usw. Diese Optimierungen sind aber vor allem beim Bahnradsport, Zeitfahren und Triathlon interessant. Denn es entstehen dadurch nicht nur Vor-, sondern auch eklatante Nachteile, die im RadfahrerInnenalltag schnell negativ auffallen, wie neben den Anschaffungskosten z.B. eine gesteigerte Seitenwindempfindlichkeit, schlechtere Kopfbelüftung usw. Was ich persönlich immer sehr reizvoll fand, war die Idee an meinem Pendlerrad eine kleine, transparente Halbschalenverkleidung aus Acrylglas bzw. Lexan zu montieren. Aber: Es gibt leider nur ganz wenige Hersteller, es ist sündhaft teuer und es ist bei Seitenwind nicht ganz unproblematisch… ich habs bis heute gelassen.
Durchschnittliche cW-Werte Fahrrad, Pkw, Motorrad, Mensch
- Normales Tourenrad 1,0
- Einfaches Rennrad 0,8
- Liegerad ohne Verkleidung 0,77
- Wettbewerbs-Velomobil 0,08 – wie das Kingcycle Bean von 1990
- Mensch stehend 0,78 [6]
- Pinguin 0,03 [6]
- Pkw modern 0,2 – wie Mercedes EQS oder Tesla Model 0,24
- Pkw alt Citroën 2CV 0,5 [6]
- Suzuki Hayabusa 0,48 – Vmax über 300 km/h
Hinweis: Ausschlaggebend ist eigentlich die Luftwiderstandsfläche cWA. Sie wird ermittelt, indem die Stirnfläche mit dem Luftwiderstandsbeiwert multipliziert wird: cW x A
Wichtig dabei ist, dass man auch mit Fahrradgepäck noch eine möglichst kompakte Figur abgibt, da man die Stirnfläche selbst nur wenig reduzieren kann (aber die Luftlöcher). Viele FernreiseexpertInnen berichten davon, dass z.B. seitliche Gepäcktaschen die Aerodynamik auch bei niedrigen Geschwindigkeiten auf Dauer negativ beeinflussen und fahren lieber mit “Arschrakete” ( sprich voluminöser Satteltasche) und Lenker- bzw. mit schlanker Rahmentasche. Strömungstechnisch ideal ist hier übrigens auch der gute, alte Rucksack.
Ein installierter Drahtkorb am Lenker eines hohen Hollandrades mit breitem Lenker und sehr aufrechter Sitzposition kostet wahrscheinlich von allen Fahrradkategorien am meisten Kraft. Das fällt nur bei den oft niedrigen Geschwindigkeiten dieser Fahrradkategorie im quirligen Amsterdam nicht so auf. Spätestens in windigeren Regionen wie z.B. Küstengebieten gelten solche “SUV-Fahrradkonstellationen” ohne Motor bei Gegenwind auf Dauer als absolute Spaßbremsen. Ein schmaler, schulterbreiter Lenker ist erheblich besser als die 80 cm breiten Masten von Mountainbikes, auf die ich bei Leihrädern im Urlaub immer wieder treffe und mich frage, ob diese Lenkstangen-Ergonomie eigentlich für Grizzly-Bären optimiert ist. Nein, natürlich nur für Downhillfreaks…
An meinem Pendlerrad habe ich statt eines schmaleren Lenkers “Inner-Barends” montiert. Allein dadurch kann ich z.B. bei Gegenwind oder schneller Fahrt am Lenker bequem an die Lenkerhörnchen umgreifen. Eine schlaue Maßnahme ganz ohne unbequemen Rennlenker (samt kostspieliger Armaturen), die sehr viel Geschwindigkeit bringt. Der Körper wird flacher gestreckt und liegt dadurch tiefer, der cw-Wert sinkt dadurch erheblich. Die Stirnfläche in Rennposition beträgt ca. 0,38 m2 und benötigt bei 36 km/h 200 Watt. Bei aufrechter Fahrweise steigt die Stirnfläche am Rennrad schon auf 0,42 m2 und benötigt 280Watt. Das entspricht einer erforderlichen Mehrleistung von satten 40%, um die 36 km/h zu halten.[1] Wer es körperlich verträgt, kann auch den Lenker weiter nach unten stellen. Beim gängigen Ahead-Vorbau geschieht das durch simples Wegnehmen oder Austauschen von Distanzringen. Man benötigt dazu lediglich einen oder zwei Innensechskantschlüssel. Aber Vorsicht, hier machen 5 mm weniger doch schon viel aus im Kreuz und Nacken. Also in kleinen Schritten ausprobieren. Unnötig zu sagen, dass der Sattel möglichst hoch gestellt werden sollte. Sportliche Rennräder werden aus aerodynamischen Gründen oft mit einer Sattelüberhöhung gefahren, die aber eine gewisse körperliche Fitness voraussetzt.
Selbst schmale Rennradreifen sind eher der Aerodynamik geschuldet, als dem Rollwiderstand. Die Aerodynamik ist übrigens der Grund Nummer Eins, warum man im Sommer auf dem Rad bessere Rundenzeiten auf der Hausstrecke hat, als im Winter: Die kälteren Luftmassen sind dicker als die warme Sommerluft – kein Scherz!
“Pro Grad Celsius mehr sinkt die Luftdichte um 0,4% und somit auch der Luftwiderstand. Bei 20 Grad Celsius ist der Luftwiderstand 8% geringer als bei 0 Grad Celsius [2] – und deshalb ist man an warmen Sommertagen mit dem Rad schneller als im Winter.”
Wer für die optimale Windschlüpfrigkeit noch mehr tun will, kauft sich evtl. einem Triathlon-Lenker, fährt mit einem Aero-Helm und trägt einem Einteiler. Diese Maßnahmen bringen nachweislich mehr, als technische Upgrades. Erst ganz am Ende dieser logischen Kette steht das begehrte Aero-Rennrad samt dem windschnittigen Carbon-Radsatz mit stahlharten Hochdruckreifen für zigtausend Euro. Alle anderen erwähnten aerodynamischen Verbesserungen bringen mehr.
Strategische Überlegungen zur Aerodynamik
Ein extremer Vorteil entsteht übrigens für die hinteren Kandidaten beim Fahren im Peloton oder im Windschatten. Im Stufenversatz der Radfahrgruppe spart man satte 25% Energie. Bei einer Geschwindigkeit von 36 km/h braucht ein Profi statt 200 Watt dann nur 150 [3].Wenn jemand auf meiner Pendlerstrecke überholt, folge ich ihm oder ihr fast immer gern im Windschatten. Denn einfacher lässt sich Energie nicht einsparen. Der Effekt ist schon nach zwei Minuten deutlich spürbar und man sammelt Kraft aus dem Nichts für die nächsten Kilometer.
“Windschattenfahrten bringen bei bei 20 km/h 8% und bei 30 km/h 15% eingesparte Energie! [4]”
Das gilt auch für typische Windregionen, denen man geschickt “aus dem Weg radeln kann:” So kommt z.B. am südlichen Mittelmeer regelmäßig oft erst ab mittags heftiger Wind auf. Ist die geplante Radtour bis dahin schon halb erledigt, kann man sich auf dem Rückweg vom Wind bequem nachhause blasen lassen, statt sich schon auf dem Hinweg im Gegenwind zu quälen.
Fahrradergonomie und ein wichtiges Merkmal: Die Sattelhöhe
Wenn der Sattel auch nur 5 mm zu tief eingestellt ist, kostet das wertvolle Kraft. Viele Sättel sind fälschlicherweise aus “Komfortgründen” zu tief eingestellt. Das spontane Sicherheitsgefühl z.B. bei einer Probefahrt mit etwas zu tief eingestelltem Sattel wird subjektive erhöht: An der roten Ampel müssen die Fußspitzen nicht so wackelig balancieren oder das Rad soweit seitlich gekippt werden. Trotzdem: Das kostet nicht nur viel Kraft sondern wirkt sich selbst beim genüsslichen Radeln extrem negativ auf die Kniegelenke aus.
Wichtigster Anhaltspunkt: Das Kniegelenk soll auf der untersten Stellung der Tretkurbel mit Schuh nicht ganz durchgedrückt sein (- aber fast ganz!). Wechselt man das Schuhwerk und die Sohle ist auch nur 5 mm flacher, bemerken viele plötzlich einen Vorteil, weil der Sattel etwas zu niedrig eingestellt war. Einen wirklich zu hoch eingestellten Sattel erkennt man daran, dass sich die Lendenwirbelsäule bemerkbar macht, die Zehen ständig taub werden, oder die hinteren(!) Knie schmerzen. Details dazu findet man tonnenweise im Netz. Es gibt noch weitere bioergonomische Faktoren wie z.B. den Einsatz von Klickpedalen mit entsprechenden Schuhen, auf die ich hier nicht näher eingehen will.
Noch eine Binsenweiheit: Wenn die Fahrradrahmengröße nicht richtig passt, wird die Person ihr Rad nie richtig lieben. Man kann den Sattel nach vorn oder nach hinten schieben, einen kürzeren oder längeren Vorbau montieren und den Lenkerwinkel ändern, aber das Gesamtresultat wird nie so gut sein, wie bei einer exakt passenden Rahmengröße mit der richtigen Länge des Oberrohrs und den passenden Sitzwinkeln zum Tretlager samt stimmiger Tretkurbellänge.
Ein weiterer Geschwindigkeitsfaktor, der unter schnellen Profis gern diskutiert wird, ist die optimale Trittfrequenz. Sie ist abhängig von der Leistung, dem Gelände, dem Fahrstil und dem persönlichen Empfinden. Es gibt keine feste Regel, die hier für alle gilt, sondern man sollte die Trittfrequenz immer so wählen, dass man bequem und und effzient fahren kann – und das bedarf ohne Trainer oft Jahre des Ausprobierens. Die meisten Radsportler fühlen sich bei 70 bis 80 U/min am wohlsten, manche bevorzugen höhere Frequenzen. Höhere Trittfrequenzen sind gelenkschonender, aber auch anstrengender für das Herz-Kreislauf-System, niedrigere Trittfrequenzen erfordern mehr Kraft, sind aber auch entspannter für die Atmung. Deutliches Kennzeichen von untrainierten E-Bike-RadlerInnen ist die oft zu beobachtende, viel zu niedrige Trittfrequenzen, da der E-Motor das erforderliche Drehmoment fast komplett übernimmt und die Beine sich nur langsam bewegen, weil der Gesetzgeber dies so erfordert. Über die Jahre habe ich mir für schnellere Fahrten eine höhere Trittfrequenz von ca. 87-95 U/min mühsam antrainiert. Wenn ich mit anderen langsamer fahre, oder mich meine Kräfte wirklich verlassen (“Standby-Nachhause-Modus”), verfalle ich wieder in den alten Trott von knapp unter 80U/min.
Rollwiderstand minimieren
Neben dem Luftwiderstand ist auch der Rollwiderstand ein wichtiger Faktor bei der Optimierung eines Fahrrads, der grundsätzlich relativ leicht optimiert werden kann, wenn der Fahrbahnbelag eben ist. Je niedriger der Rollwiderstand, desto leichter fährt ein Rad vor allem bis 16 km/h – dann schon übernehmen die aerodynamischen Faktoren. Ob ein Rad “gut rollt”, “schön läuft” oder “wie von selbst fährt” merkt man sofort bei der ersten Probefahrt. Bei nagelneuen Bikes dabei tückisch: Es ist ungewohnt, die Lager müssen sich noch einspielen, die richtigen Reifen, die Sattelhöhe ist selten gleich optimal… usw.
Um den Rollwiderstand zu minimieren, sollten erstmal die (hoffentlich richtigen) Reifen auf den richtigen Luftdruck gebracht werden. Ca. 3-4,5 Bar bei Normalo-Rädern und ca. 5-7 Bar bei Rennrädern. Die maximal erlaubten Drücke stehen auf der Seitenwand des Reifens – gehen Sie keinesfalls darüber hinaus, es gibt schnell einen lauten Knall. Schöpft man diese hohen Luftdrücke aus, wird das Rad leider oft ziemlich unkomfortabel, weil die Reifen jede Bodenunebenheit ungefedert an den Körper weitergeben. Das Rad fängt an zu springen, die Haftung leidet und der Schlupf nimmt zu. Trotzdem wird man dadurch fast immer viel schneller. Ein schnelles Rad mit schneller Bereifung erfordert daher fast immer Kompromisse beim Komfort und Pannenschutz, aber für VielfahrerInnen lohnt es sich wirklich hier zu optimieren.
Der Abrollwiderstand entsteht durch den Wulst des Reifens auf der Fahrbahn und dem Walken der Reifenflanken bzw. des Profils oder der Stollen. Durch das Walken eines weich aufgepumpten, ständig federnden Reifens bei niedrigen Luftdrücken entsteht Wärme statt Forttrieb, aber natürlich auch eine gewisse Federung, die eben unverzichtbaren Komfort bietet. Es bleibt eben ein Kompromiss zwischen Schnelligkeit und Fahrkomfort: Insbesondere auf unebenen Fahrbahnen oder Pisten kann man nicht mit voll aufgepumpten Reifen fahren, das Rad fängt spätestens im Gelände an zu hoppeln und verliert dadurch deutlich an Grip. Also nix für MTB’s – gerade bei Stollenreifen gibt es Grenzen beim Aufpumpen, sonst bleibt die Geländegängigkeit voll auf der Strecke.
Auch die Art des Reifens spielt eine Rolle beim Rollwiderstand. So rollen glatte, relativ profillose Reifen logischerweise erheblich leichter über den Boden als grobe Stollenreifen (sind aber nicht so leicht zu verkaufen). Deshalb fahren RennradlerInnen fast immer mit Slicks bzw. sehr flachen Profilen. Aquaplaning wäre bei Fahrrädern erst ab ca. 200 km/h ein Thema [7]. Profilierte Reifen helfen beim Rad nur dann, wenn die Fahrbahn schmutziger oder glatter wird. Bei glatter und fester Fahrbahn bietet ein Slick eindeutig die besten Roll- und Bremseigenschaften mit dem geringsten Widerstand. Leider sind unsere Radwege nicht immer so wie die Autobahnen. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass das Wechseln von schweren, breiten Gummiwalzen mit Pannenschutz auf leichtest mögliche Fahrradreifen eine mit großem Abstand wirkungsvollste und kostengünstigste Maßnahme ist, ein lahmes Rad schneller und agiler zu machen. Es ist meiner Meinung nach sogar die größtmöglichste nachträgliche “Tuningmaßnahme” am Fahrrad überhaupt, wenn es wirtschaftlich bleiben soll. Bei 36 km/h beträgt die Rollwiderstandsleistung immerhin schon gut 50 Watt [8] – hier lohnt es sich also ebenfalls zu optimieren. Durch leichte Reifen ändert sich auch die Beschleunigung, die beim Fahrrad durch die großen Räder ein Vielfaches der eigentlichen Masse ausmacht, da es sich um zwei Rotationsmassen mit Kreiselkräften handelt. Wir sprechen hier von Gramm…
Mein Tipp: Wer es ausprobieren will, ohne gleich alle Pannenschutzeigenschaften und Schlechtwetteroptionen über Board zu werfen möge sich z.B. den Conti Grand Prix 4 Season in 32mm Breite montieren. Ein wirklich toller Ganzjahres-Kompromiss für schnelle RadlerInnen – bis auf den saftigen Anschaffungspreis. Sehr preisgünstig ist übrigens oft der ebenfalls sehr leichte Schwalbe Kojak, der trotz Nullprofil leider nicht ganz so leicht abrollt aber wunderbar beschleunigt – siehe www.bicyclerollingresistance.com. Auf dieser Website können Abrollwiderstände verschiedener Fahrradreifen ganz exakt verglichen werden.
Der Wechsel auf schmalere und leichtere Straßenreifen hat mich z.B. auch am Motorrad überzeugt: Es läuft viel leichtfüßiger, muss nicht mit viel Kraft in die Kurven gedrückt werden und fährt mit einer Tankfüllung locker 10 bis 15% weiter, als mit dicken, schweren Walzen. Ich achte beim Fahrrad mittlerweile peinlich genau auf das Reifengewicht und behaupte mal ganz frech, dass schon ein Unterschied von nur 2 x 100 Gramm beim Beschleunigen an der Ampel spürbar sind, da es sich um große Rotationsmassen handelt. Das gilt natürlich auch für die Massenträgheit der Felgen, allerdings ist ein Austausch dieser beim Rad recht aufwendig und teuer. Hier ist es wahrscheinlich am besten, sich einen zweiten Radsatz besorgen, z.B. für Sommer und Winter… Winterreifen mit weicheren und groben Profilen bremsen leider auch am Fahrrad im Herbst schon heftig. Ich selbst nutze sie nur noch bei Schneefall über mehrere Tage.
Mechanische Widerstände minimieren
Neben dem Luft- und Rollwiderstand gibt es noch einen weiteren Faktor, der die Geschwindigkeit eines Fahrrads beeinflusst: Die mechanischen Widerstände. Die mechanischen Widerstände entstehen vor allem durch Reibung und erschweren so das Vorankommen des Rades. Um diese Widerstände zu minimieren, gibt es einige Dinge, die leicht optimiert werden können. Deshalb gehört die oben erwähnte, nasse Jeanshose eigentlich hier zu: Denn sie klebt an den Beinen und erschwert die Pedalbewegung der rotierenden Beine. Legen wir den Fokus aufs Rad, fallen insbesondere die Antriebsteile ins Gewicht. Wer schonmal mit einer rostigen, trockenen Kette gefahren ist weiß, wie schwergängig ungepflegte Kettenschaltungen werden können. Der Vorteil gegenüber den bauartbedingt leicht schwergängigeren Getriebenaben schmilzt sofort dahin. Also: Immer gut schmieren und einfach mal 20,- EUR in eine neue Kette investieren wirkt Wunder. Eine Kette ist gerade bei Kettenschaltungen ein Verschleißteil, dass öfter gewechselt werden sollte, da sonst auch die Ritzel und Kettenräder unnötig verschleißen. Möglichst nie bis an die mögliche Verschleißgrenze fahren, dann wird es gleich teuer. Den Kettenverschleiß kann man mit einer Lehre messen (lassen).
Dazu achte ich bei Nabenschaltungen wie Shimano Nexus oder Alfine mittlerweile darauf, dass die Lager-Konen des Hinterrads peinlich genau eingestellt sind. Sobald sich beim schieben des Rads die Pedalen mitdrehen (ein leichtes nicht konstantes mitdrehen ist unbedenklich) werde ich skeptisch: Entweder muss die Nabenschaltung gewartet werden, oder die Konus-Lager sind zu stramm eingestellt. Dies kann man mit etwas Geduld und Standard-Werkzeug selbst optimieren. Das gilt natürlich auch für die Vorderradnabe, die natürlich absolut spielfrei laufen- bzw. eingestellt werden muss. Bei besseren Rennrädern mit gut geschmierter Vorderradnabe dreht sich das Ventil bei Anheben des Vorderrads allein durch die Schwerkraft eigenständig nach unten. Das nenne ich echten, widerstandslosen Leichtlauf. Ich hab aber nur ein teures Rad von 2014, bei dem das wirklich funktioniert – das Stevens Vapor mit Ultegra-Ausstattung. Bei teuren MTBs sind oft schmutzabweisende Dichtlippen verbaut, dann geht es schon nicht mehr. Trotzdem lohnt es sich bei älteren Rädern oft, die Lager zu kontrollieren, sauber einzustellen und bei Bedarf auch ruhig mal neu abzuschmieren oder auszutauschen. Das gilt übrigens auch für das Tretlager (Ersatzteilpreis ca. 20,- EUR). Ich war überrascht, dass mein Pendlerrad nach dem letzten Wechsel des Tretlagers nach 15.000 km doch etwas leichter lief, obwohl beim losen drehen der Kurbel ohne Kette nur ganz leichte Kratzspuren zu hören waren.
Gesamtmasse Fahrrad und Radfahrer verringern
Die Optimierung der Gesamtmasse von Rad und Radfahrer wird oft überschätzt, wenn es um das Thema Geschwindigkeit geht. Es gibt den Kreuzotter Online-Rechner im Netz, der uns zeigt, dass eine reine Gewichtsreduktion in der Ebene keinen großen Geschwindigkeitsvorteil für RadfahrerInnen bringt. Trotzdem wird für 1-2 kg leichtere Fahrräder oft ein Vermögen ausgegeben. Der Grund liegt in der deutlich höheren Beschleunigung und gesteigerten Agilität des Vehikels – und zwar auch durch die Reduktion der ungefederten und der zu beschleunigenden Masse. Dazu ein kurzer Ausflug in die Welt der Radler-Schwerkraft:
Wer in den Pedalen steht, federt den Körper über Arme und Beine selbst ab, aber das Rad selbst rollt bis auf die minimale Reifendämpfung fast ungefedert – ich grenze hier die gefederten Räder mal aus. Eine Federbewegung kostet ( neben zusätzlichem Gewicht) auch bei Zweirädern grundsätzlich Energie, die erstmal nicht in Fortbewegung umgesetzt wird. Je leichter das Rad und der Radfahrerende ist, desto leichter ist es für das Gesamtsystem der bewegten Masse sich fortzubewegen, zu beschleunigen, leicht abzubremsen, Hindernisse und Unebenheiten mit Leichtigkeit zu überrollen bzw. mit dem Körper samt Rad einfach zu überspringen “Bunny-Hop” und vor allem Steigungen immer noch mit nötiger Leichtigkeit zu nehmen. Um die Gesamtmasse vom Rad zu verringern, kann man zunächst alle überflüssige Teile radikal abbauen: Gepäckträger, Zusatzschlösser, Schutzbleche, Drahtkörbe, Doppelständer, Kettenschutz, Werkzeugboxen, Fuchsschwänze usw. können oft ganz abmontiert werden. Im zweiten Schritt können leichtere Komponenten montiert werden, aber Achtung, das geht ziemlich schnell ins Geld. Gefederte Sattelstützen, schwere Federsättel, Dynamobeleuchtung, Gummiklotzpedalen und Federgabeln kann man gegen leichteres Material austauschen.
Früher gab es mal die goldene Upgrade-Regel: “Pro Gramm ‘ne Mark.” Jedes eingesparte Gramm kostet damit ca. 50 Cent. Macht bei einem Kilo weniger ungefähr 500,- EUR mehr. Und das passt auch heute noch ins aktuelle Preiskonzept der Fahrradhändler, die ab Werk mit qualitativ verschiedenen Ausstattungen erworben werden können und dadurch bei stark steigenden Preisen automatisch fast immer leichter werden. Das ist wirtschaftlich oft sehr viel schlauer als die nachträgliche Reduktion durch Teiletausch. Weil bei teureren, leichten Rädern ab Werk die Qualität einfach stimmt – ist ja sonst nichts dran… Also lieber ein leichtes, nacktes Rad nachträglich mit Klemmschutzblechen, Klingel und Akkubeleuchtung ausstatten, als ein schweres Rad abspecken!
Kommen wir noch zum günstigsten, leider oft aber schwierigsten Faktor: Auch das Gewicht der Radfahrenden spielt natürlich trotz der ab Fußgelenk gefederten Masse eine immense Rolle bei der Gesamtphysik. Wenn man Radprofis bei Rennen im TV zusieht, wird man fast nur nur leichte, extrem schlanke Körper sehen. Je leichter die RadfahrerIn ist, desto schneller gehts den Berg hinauf. Stichwort: Mit jedem Gramm Masse steigt der gehasste Steigungswiderstand spürbar. Kurzum aus eigener Erfahrung: Wenn man schon etwas trainiert ist, ist es sehr schwer dauerhaft nochmal zwei Kilo abzunehmen, um den Steigungswiderstand am Berg zu optimieren. Wer das aber zumindest mal temporär schafft, wird einen erheblichen Vorteil beim sportlichen Radeln bemerken. Die Leistungsfähigkeit steigt sofort an. Und wer mal auf einem nur 8-9 Kilo leichtem Mittelklasse-Sportrad unterwegs war, wird nie vergessen wieviel mehr Spaß das macht, als auf einem 16 kg Baumarkt-Fahrrad. Insgeheim macht sich weniger Gewicht beim gefühlten “Gesamtfahrerlebnis Radfahren” eben doch stark bemerkbar, auch wenn die Stoppuhr das bei gemütlichen Radtouren nicht immer widerspiegelt. Ein ganz einfacher Selbstversuch brachte mir eine klare Erkenntnis: Einfach mal das Schloss, die Werkzeugtasche, die Regenklamotten, die Trinkflasche und die Steckleuchten mal zuhause lassen und der Unterschied am Berg ist sofort zu spüren.
Fahrrad-Durchschnittsgeschwindigkeiten in der Ebene mit verschiedenen Rädern
- Untrainiert mit Standard- oder Trekkingrad 14 – 20 km/h
- Untrainiert mit Mountainbike und Stollenreifen 14 – 22 km/h
- Untrainiert mit Gravelrad mit Profilreifen 18 – 26 km/h
- Untrainiert mit Pedelec bzw. E-Bike 20 – 25 km/h
- Untrainiert mit Rennrad 20 – 27 km/h
- Trainiert mit vollverkleidetem Velomobil 75 km/h über eine Stunde (Pat Kinch 1990 auf “Kingcycle Bean”)
Klingt nicht sonderlich schnell, das Rad ist aber laut Umweltbundesamt bis 5 Kilometer mit Abstand das schnellste Verkehrsmittel in der Stadt im Vergleich mit allen anderen wie Bussen, Bahnen, Autos, Roller. Auch bei einer Fahrt von ca. 10 Kilometern ist ein Pkw nur knapp 10 Minuten schneller als ein Radler. Mein ungelöstes Problem: Wenn beim Pendeln nur der Kleidungswechsel im Winter nicht immer so lange dauern würde…
Hinweis: Dieser Artikel wurde am 20.03.2023 überarbeitet.
[1, 2, 3, 4, 7, 8] Quelle: Micheal Gressmann “Fahrradphysik und Biomechanik”, Seiten 57, 73, 75, 81
[6] Quelle: wikipedia.org und wikipedia.org