Verkehrsunfall-Statistik

Statistisch gibt es für RadfahrerInnen in Deutschland wenig grünes Licht

Verkehrsunfälle in Deutschland werden zwar seit Jahrzehnten statistisch im Amtsstübchen erfasst, jetzt gibt es aber sogar eine interaktive Online-Karte für alle, die helfen kann Unfälle im eigenen Wohnbezirk zu analysieren und sogar zu vermeiden: Der Unfallatlas zeigt mit wenigen Ausnahmen nun fast alle Bundesländer an.

Das Statistikportal wird von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder gemeinschaftlich entwickelt und betrieben. Und seit kurzem ist das extrem dicht besiedelte Bundesland NRW auch dabei, im Sommer 2021 folgen weitere Bundesländer. Der Unfallatlas enthält ausschließlich Unfälle mit Personenschaden. Sachschäden werden auf dieser Karte nicht dargestellt. Trotzdem kann der wache Bürger und die schlaue Bürgerin ihre Schlüsse – und vor allem die richtigen Konsequenzen daraus ziehen.

 

Besonders interessant ist die Karte natürlich für Fahrrad- und MotorradfahrerInnen. Während die Statistik der Verkehrstoten in Deutschland tendenziell Jahr für Jahr fällt, steigt die der RadfahrerInnen leider deutlich an. Das liegt zum einen daran, dass immer mehr VerkehrsteilnehmerInnen und Pendler das Fahrrad im Alltag wirklich als Standard-Verkehrsmittel einsetzen. Leider werden über 70% der Unfälle mit Fahrrädern immer noch von Pkws verursacht. Und die autofahrerfreundliche Politik reagiert darauf seit Jahrzehnten überhaupt gar nicht. Man muss also als RadfahrerIn selbst auf sich aufpassen und alles dafür tun im Straßenverkehr zu überleben.

 

Zum anderen wird die radelnde Bevölkerung immer älter, weil sie zwar länger körperlich fit bleibt, aber mit den gesteigerten Anforderungen im Straßenverkehr nicht mehr so gut zurecht kommt. Zusätzlich satteln nun noch viele RadlerInnen mittleren und fortgeschrittenen Alters aufs E-Bike bzw. auf Pedelecs um. Hier sind die Anforderungen im Verkehr dann erheblich gesteigert. Viele Radtouren dieser Zielgruppe enden durch Unerfahrenheit, mangelnder Selbstkontrolle, unbelehrbarer Helmabstinenz und viel zu schnellen Fahrens im Krankenhaus. Die Verkehrsunfall-Statistik zählt natürlich nur die aufgenommen Unfälle. Die Dunkelziffer bei ungemeldeten Unfällen ist wahrscheinlich extrem hoch. Experten vermuten, sie sei sogar höher als die erfasste Unfallstatistik. Nun, machen Sie sich ihr eigenes Bild von Ihrer Umgebung und von Unfallschwerpunkten in Ihrer Stadt oder Ihrem Dorf. Und fahren Sie vielleicht an den brisanten Stellen das nächste Mal vorsichtiger oder meiden Sie diese Abschnitte mit dem Zweirad zukünftig einfach ganz (meine Strategie in Bielefeld):

 

Die aktuelle Verkehrslage in Deutschland

Laut ADAC starben 2019  insgesamt 3046 Menschen im deutschen Straßenverkehr. Das ist der niedrigste Wert seit Beginn der Statistik von 1953. Selbst 1980 waren es noch viermal mehr Tote als heute (Quelle: Wikipedia). Aber das sind noch viel zu viele Opfer. Fast jeder dritte Verkehrstote geht dabei allein – er hätte das gedacht – auf überhöhte Geschwindigkeit zurück. Knapp 13.800 Schwerverletzte (Quelle: SZ Nr. 182 S.41) gab es auf deutschen Straßen 2019 durch nicht angepasstes Tempo. Das könnte man so einfach in den Griff bekommen, aber die Politik reagiert nicht. Die Grünen fordern 80 km/h auf Landstraßen, denn hier passieren die meisten, schweren Unfälle und ein 130er Limit auf Autobahnen. Leider geschieht gar nichts, die Betonköpfe der Republik wollen weiter rasen. Rasen als große Freiheit. Rasen als Spaßfaktor auf Kosten anderer. Rasen als Wirtschaftsmotor.

Allein von meinen ehemaligen SchulkollegInnen aus den 80ern sind bisher vier unfreiwillig im Straßenverkehr durch tödliche Unfälle gestorben. Außerdem gilt in Deutschland “die 30-Tage-Frist”: Nur ein Opfer, das innerhalb von 30 Tagen an den Folgen eines Verkehrsunfalls verstirbt, gilt statistisch wirklich als Verkehrstoter. Es gibt also viele Schwerstverletzte, die nicht in die Verkehrsunfall-Statistik eingehen, aber doch an den Folgen sterben oder danach unter einer sehr eingeschränkten Lebensqualität zu leiden haben. Diese Opfer werden alle nicht erfasst. Auch gesellschaftlich ist das in deutschen Landen als zu billigende Verlustquote bei dem ganzen Verkehr voll akzeptiert. Die Opfer haben “halt Pech gehabt”, weil sie z.B. “übersehen” wurden. “Übersehen werden”, wird als Täter in Deutschland nur selten hart bestraft, sondern gehört zum toleranten, hochmobilen Alltags-Verkehrssystem einfach dazu, denn diese befeuert letzten Endes die Wirtschaft. Es ist unglaublich, man könnte zynisch werden: “Oh, 9.000 Corona-Tote in Deutschland von Januar bis August 2020 – ist gar nicht so schlimm, denn wir haben ja auch seit Jahrzehnten 3.000 bis 4.000 Verkehrstote pro Jahr”… Ich möchte hier gar nicht mit einer seit Jahrzehnten himmelschreienden Systemkritik beginnen, betrachten wir einfach die nackten Tatsachen. Eins vielleicht noch: Würde man die Klimaerwärmung mit einberechnen hätten “wir” sicher den X-fachen Faktor an jährlichen Verkehrs-Opfern zu verantworten.

 

 

Der Verkehrsunfallkalender

Der Unfallstatistik-Atlas ist noch nicht alles. Ich habe noch mehr interessante Statistiken vom Bund entdeckt, die einem helfen, als RadfahrerIn in Deutschland trotz Andi zu überleben. Da gibt es noch  den “Verkehrsunfallkalender”. Dieser liefert Auskünfte darüber wann, womit und wen es es oft trifft. Mein Fazit: Steigen Sie Karfreitag auf kein Motorrad und an Christi Himmelfahrt (Vatertag) bleiben Ihre Zweiräder am besten ganz zuhause. Und passen sie Neujahr auch als Fußgänger besonders gut auf sich auf:

 

Unfälle mit Alkohol

Unfälle unter Alkoholeinfluss geschehen oft am Wochenende. Besonders auffällig sind Neujahr, der erste Mai und mit tödlicher Sicherheit am Vatertag bzw. Christi Himmelfahrt. An diesen Tagen bleibt man mit dem Rad oder Motorrad am besten ganz zuhause, geht besser spazieren, joggen oder walken. Alkoholunfälle im Straßenverkehr haben in den letzten 15 Jahren zwar erheblich abgenommen. Ich persönlich könnte mir aber vorstellen, das statt Alkohol viele andere “Spaßmacher” dazu gekommen sind, die gar nicht groß auffallen.

 

 

Unfälle mit Motorrädern und Rollern

Dadurch, das Motorradfahren in Deutschland ein reines Freizeitphänomen ist, passieren viele Unfälle am Wochenende. Der Freitag gehört schon dazu. Ich persönlich drehe trotzdem gerne sonn­tag­abends mal eine kleine Runde in den Sonnenuntergang, wenn die kleinen Landstraßen leer sind und alle vorm Tatort sitzen oder das Wochenende sonst wie ausklingen lassen. Leere Straßen signalisieren mir persönlich eindeutig Sicherheit. Stressig finde ich auf dem Krad den Berufsverkehr nach Feierabend, wenn alle ganz schnell nachhause wollen und egoistisch fahren. Mit dem Motorrad von der Arbeit abends im Berufsverkehr nachhause fahren – das mache ich nicht mehr. Bei Rollern mit Versicherungskennzeichen empfinde ich das 45 km/h Limit als Zumutung. Pkws versuchen permanent zu überholen, selbst wo es nicht geht. Sie müssten im Stadtverkehr gut mitschwimmen können, statt als Bremsklotz zu provozieren, so wie die DDR-Mopeds früher mit ihrem 60 km/h Limit. Jeder EU-Politiker müsste dazu gezwungen werden, mit so einem 45-km/h-Ding morgens eine Woche zur Arbeit fahren zu müssen. Danach würde dieses völlig gefährliche Tempolimit garantiert fallen.

Am ersten Mai, an Christi Himmelfahrt und an Karfreitagen sollte man das Motorrad am besten einfach stehen lassen. Die Unfallstatistik mit Motorrädern geht seit Jahren erfreulicherweise deutlich zurück. Wahrscheinlich weil die einst jugendlichen Waghälse mittlerweile ergraut sind und eher gemütlich cruisen, statt sich auf “Streetfightern” gegenseitig zu verheizen. Die bereits in die Jahre gekommene 190 PS-Honda meines ehemaligen Nachbarn läuft knapp 300 km/h, er selbst ist jetzt 65 und geht bald in Rente. Und er lebt noch, ich hab ihn letztes Wochenende getroffen – auf einem Fahrrad.

Ich erinnere mich noch gut an die 70er Jahre, als jedes Wochenende viele MotorradfahrerInnen ihr Leben ließen. Sie waren in der Fahrschule schlecht ausgebildet, jugendlich risikobereit, fuhren ohne Schutzkleidung mit giftigen Krädern herum, die den Namen Witwenmacher trugen. All das gibt es heute auch noch, aber nur noch selten.

 

Unfälle mit Fahrrädern

Durch den E-Bike-Boom, bessere Kleidung und vor allem durch trockeneres Wetter ist die Fahrradsaison in den letzten Jahren in Deutschland erheblich länger geworden. Das hat zur Folge, dass statistisch mehr Unfälle passieren, einfach weil viel mehr Menschen mit dem Rad bis auf den Winter von März bis November unterwegs sind. Die meisten Unfalltoten kommen durch fahrlässig abbiegende Autos und Lastwagen ums Leben. Viele schwere Verletzungen entstehen wahrscheinlich auch durch das “Dooring”, dem rücksichtslosen Öffnen der Fahrertür. Dieser Faktor ist noch nicht fundiert untersucht (weil es keinen interessiert).  Zusätzlich werden die Radwege zwar voller, aber nicht besser. Außerdem gibt es zwar einen E-Bike-Boom, aber keinen Fahrradhelm-Boom. Da ändern auch Popup-Radwegs nicht viel dran, denn:

Mehr Radwege = Mehr Verkehr = Mehr Unfälle mit Fahrrädern!

Ist ja eigentlich ganz logisch. Die saisonale Statistik verbiegt sich aber aus meiner Sicht. Denn im Winter ist das Radeln erheblich gefährlicher, weil man schnell mal übersehen wird, die Straßen oft nass und rutschig sind und man durch die permanente Dunkelheit selbst auch nicht so gut sieht. Wer im Winter radelt, muss deshalb besonders gut auf sich aufpassen und braucht eine entsprechende Winter-Ausrüstung fürs Rad, sowie viel Erfahrung. Aber die Statistik zeigt hier nur wenig tödliche Unfälle an, weil im Winter nur noch ganz wenige radeln.

 

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