Wie wird ein Fahrrad-Computer genau auf die Radgröße mit Reifen eingestellt? Dazu wird zunächst der genaue Radumfang benötigt: Für die Ermittlung dieses “Abrollumfangs” werden die Reifen entsprechend normaler Gewohnheiten aufgepumpt, das Ventil steht exakt unten auf dem Boden und man rollt dann mit seinem Körpergewicht auf dem Rad sitzend gerade an einem entfalteten Zollstock eine Radumdrehung entlang, bis das Ventil wieder genau unten steht. Bremse ziehen und vorsichtig absteigen: Das wieder senkrecht stehende Ventil am Zollstock zeigt dann den Radumfang in Millimetern. Ohne HelferIn entstehen gern Messungenauigkeiten, deshalb empfehle ich die Messung dreimal durchzuführen und die Maße zu mitteln.
Es lohnt sich diesen Wert digital in der Smartphone-Cloud zu notieren, denn spätestens, wenn der Akku des Fahrrad-Computers leer ist muss die Messung mühsam wiederholt werden – für jedes Fahrrad. Ein Fahrradtacho ist ein ziemlich genaues Messinstrument, viel genauer als ein Pkw- oder Motorradtacho und wird neben dem GPS gern bei Rekordversuchen eingesetzt. Im Gegensatz dazu sind die Größenbezeichnungen von Fahrradreifen oft ungenau. Teilweise hatte dies Methode: Um Rennradreifen möglichst leicht erscheinen zu lassen, waren sie eben doch nicht so breit wie angegeben… Für alle, die keine Lust auf die Messmethode haben, kann der Radumfang auch bequem in der folgenden Radumfang-Tabelle für Fahrräder abgelesen werden. Die Maße unterscheiden sich jedoch von Hersteller zu Hersteller etwas.
Auch das Alter des Reifens spielt eine Rolle, da sich Reifen mit der Zeit ausweiten und der Radumfang dann bei gleichem Luftdruck ansteigt. Bei meinem Schwalbe Kojak 35-622 sind in der Tabelle 2185 mm angegeben. Die Messung des Abrollumfangs ergab aber nur 2166 mm – ein deutlicher Unterschied. Die European Tire and Rim Technical Organization – kurz ETRTO gibt mit der ersten Zahl die Reifenbreite und mit der zweiten den Innendurchmesser des Pneus in Millimetern an. Dadurch stellt das ETRTO-Maß sicher, dass die Reifen auch wirklich genau auf die Felge passen. Früher sprang ein Reifen beim Aufpumpen auch gern mal von der Felge oder ließ sich kaum zerstörungsfrei aufziehen, weil der Innendurchmesser zu klein war. Das sollte durch die ETRO-Norm besser geworden sein. Neben ETRTO gibt es noch drei weitere Größenangaben:
- ETRTO: 37 – 622 = Breite zu Innendurchmesser
- Zoll Dezimal: 28 × 1,40 = Außendurchmesser × Breite
- Zoll als Bruch: 28 × 15/8 × 13/8 = Außendurchmesser × Höhe × Breite (oft ungenau)
- Französische Größe: 700 × 35C = Außendurchmesser × Breite/ Höhe
Fahrrad-Radumfang-Tabelle für 16, 18, 20, 24, 26, 28 und 29 Zoll
Die folgenden ETRTO-Werte stammen vom Reifenhersteller Schwalbe:
Zoll |
ETRTO |
Radumfang ca. |
16″ | 50-305 | 1265 mm |
35-349 | 1315 mm | |
37-349 | 1330 mm | |
18″ | 40-355 | 1380 mm |
50-355 | 1440 mm | |
20″ | 23-406 | 1420 mm |
28-406 | 1450 mm | |
35-406 | 1510 mm | |
40-406 | 1540 mm | |
47-406 | 1580 mm | |
50-406 | 1600 mm | |
54-406 | 1620 mm | |
24″ | 47-507 | 1900 mm |
50-507 | 1910 mm | |
54-507 | 1930 mm | |
24″ | 57-507 | 1955 mm |
60-507 | 1980 mm | |
26″ | 35-559 | 1990 mm |
40-559 | 2030 mm | |
47-559 | 2050 mm | |
50-559 | 2075 mm | |
54-559 | 2100 mm | |
57-559 | 2120 mm | |
60-559 | 2160 mm | |
37-590 | 2100 mm | |
27″ | 32-630 | 2200 mm |
27,5″ | 54-584 | 2195 mm |
57-584 | 2215 mm | |
60-584 | 2240 mm | |
28″ | 20-622 | 2100 mm |
28″ | 23-622 | 2125 mm |
25-622 | 2135 mm | |
28-622 | 2150 mm | |
30-622 | 2160 mm | |
32-622 | 2170 mm | |
35-622 | 2185 mm | |
37-622 | 2200 mm | |
40-622 | 2220 mm | |
42-622 | 2230 mm | |
47-622 | 2250 mm | |
50-622 | 2280 mm | |
40-635 | 2250 mm | |
29″ | 54-622 | 2310 mm |
57-622 | 2330 mm |
Radumfang bei 28- und 29-Zoll Fahrrädern
Vor ein paar Jahren erfand die Fahrradindustrie das 29 Zoll-Rad fürs Mountainbike. Der nur zwei Zoll größere, äußere Radumfang sorgte real für größere MTB’s, mit etwas weniger Rollwiderstand und einem ruhigerem Laufverhalten. Optimal für größere Menschen oder solche, die auf Waldwegen einen unaufgeregten Fahrstil bevorzugen. Diese Räder rollen mit ihrem größeren Radumfang besser über Unebenheiten, sind aber im engen Gelände und in der Stadt nicht mehr so agil und etwas schwerer – samt dem physikalischen Rattenschwanz der größeren, rotierenden Massen mit all seinen Nachteilen. Je nach Einsatzzweck haben diese größeren Fahrräder meiner Meinung nach ihre volle Daseins-Berechtigung. Was man bei 28- und 29-Zoll Reifen wissen muss: Die Reifen haben den gleichen Innendurchmesser von 622 Millimetern! Also das gleiche, zweite ETRTO-Maß. Der größere Radumfang wird durch eine gesteigerte Reifenhöhe (und -Breite) erzeugt und nicht durch größere Felgen mit einem höheren Durchmesser.
Trotzdem erzeugt ein Gravelbike mit voluminöseren Reifen ein anderes Fahrgefühl, als beispielsweise ein Rennrad oder Cyclocrosser. Auch die Felgenbreite (die sogenannte “Maulweite”) trägt dazu bei, den Radumfang, das Abrollverhalten und das Fahrgefühl in Kurven zu beeinflussen. Schmalere Felgen sind im Gelände und beim harten Bordsteinüberfahren besser geschützt. Breitere Felgen führen den Reifen dafür präziser. Nicht umsonst haben leistungsstarke Motorräder extreme Niederquerschnitts-Breitreifen, um die Motorleistung auch in Kurven noch auf die Straße zu bringen. Etwas anders dimensionierte Reifen auf der gleichen Felge können beim Zweirad ein komplett anderes Fahrgefühl erzeugen. Experimentieren lohnt sich!
26 Zoll Radumfang – der Klassiker bei MTBs und im Rest der Welt
Wer mit dem Rad in Asien, Südamerika oder Afrika fahren möchte, greift gern auf die klassischen, 26 Zoll großen Laufräder zurück, da es dafür garantiert Ersatzteile gibt. 26 Zoll-Räder am Mountainbike sorgen seit Jahrzehnten und heute für großen Fahrspaß, da die Laufräder extrem stabil sind und einfach wieselflink leicht um Spitzkehren gehen – im Gegensatz zu 28er oder 29er Rädern. Diese Agilität ist ein sehr guter Kompromiss für geländegängige, sehr stabile Räder, die trotzdem noch richtig schnell sein können. Trotz geringerem Radumfang haben sie noch einen relativ geringen Rollwiderstand. Ende der neunziger Jahre gab es sogar mal einen deutlichen 26 Zoll-Trend bei Triathlon-Rädern.
“Nichts bringt als Tuningmaßnahme beim Fahrrad mehr, als die Reifen etwas stärker aufzupumpen, bzw. sie gegen gut rollende und leichtere zu tauschen.”
Neue Radgröße 27,5 Zoll
Diese neue Größe dürfte auf fremden Kontinenten extrem schwierig aufzutreiben sein und sorgt auch hierzulande bei vielen RadlerInnen noch immer für Kopfschütteln. Der Innendurchmesser von 27,5 Zoll-Reifen beträgt 584 mm und ist damit gleich der veralteten französischen Größenangabe “650B”. Gab es also schonmal. War das Revival dieser neue Größe zwischen den bewährten 26- und 28 Zoll Rädern wirklich nötig? Ich behaupte mal nein, aber es tummeln sich viele technische Innovationen gerade in diesem Größenbereich – wahrscheinlich ist genau dies die Existenzberechtigung:
Pedelecs, extremer Leichtbau, Ballonreifen für Fatbikes und MTBs (27,5 Plus), die mit niedrigem Luftdruck gefahren werden können und schlauchlose Reifen, die (außer unter RennradlerInnen) noch relativ selten im Fahrrad-Alltag gefahren werden. Die Wahrheit des 27,5 Zoll-Radumfangs aus meiner Sicht: Dem Massentrend der breiteren und damit auch höheren (!) Reifen für Cyclocross, Gravel, Endurance usw. folgend wollte man nicht alle Rahmen und Gabeln ändern, sondern produzierte einfach etwas kleinere Laufräder, damit die voluminöseren Pneus wieder genug Luft zwischen den Rahmenteilen haben. Bei Rennrädern setzt sehr oft die Reifenhöhe das Limit für breitere- sprich komfortablere Reifen. Ich selbst fahre auf dem Rennrad (eigentlich ein Cyclocrosser) 28mm breite Slicks. Fährt sich auch auf schlechten Radwegen noch super angenehm… die Stollenreifen habe ich sofort demontiert. Sie fressen einfach zu viel Kraft auf der Straße.
20 Zoll Radumfang – vom Klapprad zum Cargobike
In den siebziger Jahren hatten fast alle Klapp- und Kinderräder 20 Zoll. Damit bin ich groß geworden. Es war eine heilige Standardgröße wie die Konservendose. Sie wurden selbst vom Bonanza-Rad und selbst vom BMX-Rad noch adaptiert. Außerdem war sie sehr beliebt bei einfachen, preiswerten Damenrädern mit niedrigem Durchstieg. Der wurde durch die kleinen Radumfänge automatisch noch niedriger. Dann wurde es zwei Jahrzehnte ganz still um die kleinen Räder, weil sie natürlich nicht so schön rollten, wie die Großen. Erst mit der Neuentdeckung des Faltrads und der Lastenräder – neudeutsch Cargobikes – sah man sie wieder öfter live auf der Straße. Beim Lastenrad sorgen sie für einen gewollten, tiefen Schwerpunkt und mildern das recht unhandliche Längenmaß dieser Zweirad-LKWs etwas ab. Dafür hat ein Lastenrad durch den großen Radstand einen sehr guten Geradeauslauf. Zusammen mit Ballonreifen kann auf eine Federung verzichtet werden. Die heutigen Falträder fahren sich mit der neuen Technik in Kombination mit den kleinen Rädern samt kurzem Radstand schon etwas kippeliger und verhalten sich auch bei hoher Geschwindigkeit nervöser – dafür sind sie perfekt für die Stadt und natürlich beim Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln oder im eigenen Pkw.
Auch hier lässt sich das gewünschte Fahrgefühl mit voluminösen Breitreifen oder schmalen Slicks je nach Einsatzzweck deutlich optimieren. Der kleine Radumfang erzeugt jedenfalls keinen riesengroßen Rollwiderstand. Im direkten Vergleich von einem 20 Zoll- zu einem 28 Zoll Rad spürt man diesen bei längeren Touren aber schon etwas. Trotzdem kann mit 20 Zoll-Rädern in einem hochwertigen Bike kräfteschonend und schnell geradelt werden. Aber die Reifen nutzen sich naturgemäß eher ab, die Bremsen blockieren schneller und Schlaglöcher kommen viel direkter im Lenker und Sattel an. Auf Asphalt hilft dagegen die Luftpumpe: Nichts bringt als “Tuningmaßnahme” unterm Strich beim Fahrrad mehr, als die Reifen etwas stärker aufzupumpen, bzw. sie gegen gut rollende und leichtere zu tauschen…