Radfahren an der Ostalgarve

Es ist Mitte Mai und ich bin in meinem Lieblingsurlaubsland an der Ostalgarve in Portugal. In einem verträumten Fischerdorf namens Santa Luzia kurz hinter der spanischen Grenze verbringe ich zwei Wochen in der Vorsaison, zehn Tage davon mit einem geliehenen Mountainbike.

 

Ganz bewusst bin ich mit meiner Partnerin ausnahmsweise zum zweiten Mal in dieses erholsame Nest gefahren. Nirgends sind die Menschen in Südeuropa entspannter als in Portugal. Niemals haben wir besseren Kaffee getrunken als auf den portugiesischen Inseln wie Madeira, den Azoren oder mitten in der Hauptstadt in Lissabon. Der Verkehr ist hier nicht so hitzig, es gibt viel weniger Trubel als in Spanien, der Massentourismus tummelt sich erst hundert Kilometer weiter westlich an der Algarve.

Hier gibt es sie noch, die gute alte Zeit, die in Südeuropa unter der Sonne irgendwie noch langsamer tickt: Entspannte Leute, verrostete Autos, günstige Leihräder, winzig kleine Tante Emma Läden, kaltes Bier aus der Flasche serviert für 1,30 Euro direkt an der Mole im Sonnenuntergang, einzig die Immobilienpreise sind schamlos explodiert. Ein Grund für Nordeuropäer mindestens zwei Gänge runter zu schalten. Oder gleich hier zu bleiben für den Rest des Lebens. Ein Fahrrad und eine alte Fischerhütte würden doch reichen…?

 

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Ostalgarve mit dem Mountainbike

Stollenreifen für die Pisten der Ostalgarve

Durch den nicht enden wollenden, grauen Winter 2016/17 in Deutschland sehnen wir uns nach Licht. Nach Sandstrand. Nach Duft von frischem Fisch. Nach Sonnencreme, dessen Geruch uns in die unbeschwerte Kindheit zurück versetzt und selbstverständlich nach Fahrrädern, mit denen wir hier mitten im Naturschutzgebiet noch echte Freiheit auf zwei Rädern fernab dem deutschen Berufsverkehr erleben dürfen. Nach der obligatorischen Akklimatisierung leihen wir uns nach einem schnellen Fußmarsch mit viel Schweiß in Tavira zwei Mountainbikes in letzter Minute vor der Mittagspause. Mittagspause heißt in Portugal noch: Drei Stunden warten.

 

Unsere Leihräder vor dem Laden in Tavira

Geliehene MTB’s vor dem Fahrradladen in Tavira

Den ursprünglichen Fahrradladen mit richtig guten MTB’s von 2013 habe ich zwar sofort wiedergefunden, aber er hat leider für immer geschlossen. Ein größerer Anbieter hat das kleine Geschäft in Tavira übernommen. Stolz erzählt uns die Tochter des Besitzers von den sehr guten Bewertungen im Netz. Direktmarketing in Tavira. Die Bikes sind für jeweils faire neun Euro pro Tag inklusive Helm, Schloss und Flickzeug – absolut ok. Eine Helmpflicht besteht in Portugal im Gegensatz zu Spanien außerhalb der Ortschaften noch nicht. Wir radeln in wenigen Minuten zurück nach Santa Luzia.

 

Ecovia do Litoral - Radweg in Portugal

Ecovia do Litoral – unser Radweg in Portugal

Die Rückfahrt endet im Treppenhaus unseres Apartments, denn irgendwie können wir die Räder aus Platzgründen nicht mit in unsere Wohnung nehmen – sie ist über zwei Etagen einfach zu verbaut. Unsere britische Nachbarin zeigt Verständnis für die Situation. Wir wollen mit den Mountainbikes den Ecovia do Litoral befahren. Ein Radweg im Naturschutzgebiet, der sich an der Ostalgarve von der spanischen Grenze über die Algarve bis an den südwestlichsten Punkt Europas zieht und dann in Richtung Norden verläuft (Download GPX-Track). Die seit 2008 bestehende Fahrradroute ist noch nicht durchgehend asphaltiert, sondern eher für MTBs mit Federgabel und Crossreifen geeignet.

 

Mit dem Mountainbike auf dem Ecovia do Litoral

Die Route der Ecovia eignet sich sehr gut für Mountainbikes

Bei Fahrradreisen an der Küste sind MTB’s genau mein Ding, zumal ich damit auch mal über den Strand radeln kann. Es gibt hügelige Anstiege, steinige Abfahrten, nasse Furten, Sand, Schotter, Steine und viel Staub. Wer möchte, kann hinter Moncarapacho mit dem Rad auch in die Berge fahren. Wir haben allerdings festgestellt, dass das Radeln über unbefestigte Pisten in der Sonne Südportugals auch in der Vorsaison  kräftezehrend ist. Jeden Tag muss man sich morgens gründlich eincremen, bevor es aufs Rad geht. Ein heller oder silberfarbener Helm hilft die Sonne besser zu ertragen. Eine gepolsterte Rad(unter)hose ist von großem Vorteil. Genügend Wasser, sprich 1,5 Liter sollten es hier pro Radler-In schon sein.

 

 

Radtour von Santa Luzia nach Fuseta und Moncarapacho

Ein attraktives Ausflugsziel für Radfahrer ist Fuseta über die endlosen Lagunen der Ria Formosa, die sich in Form von feinsandigen  Traumstränden entlang der ganzen Ostalgarve ziehen. Von Fusetas Kai aus werden Bootstouren angeboten auf die Ilha da Armona oder zu den Delfinen, Walen und fliegenden Fischen weiter im Atlantik. Der Hausstrand “Praia da Fuseta Ria” ist trotz des spürbaren Tourismus noch immer bildschön. Besonders wenn man mit dem Rad aus dem einsamen Naturschutzgebiet gekommen ist, bietet der Strand samt Meerblick eine tolle Abwechslung. Fuseta ist ideal zum Baden, Schnorcheln, Surfen oder einfach für eine Mittagspause unter dem Sonnenschirm. Zahlreiche, uralte Fischerboote aus Holz liegen am Kai, dieser bunte Anblick allein ist schon eine Radtour wert.

Ausflugsboot in Fuseta auf unserer Radtour Erfrischungen für Radler in Fuseta

Ein GPS am Smartphone hilft uns Radtour durch das Naturschutzgebiet Ria Formosa

 

Die Stadt wurde 1572 erstmals geschichtlich gesichert als “Fozeta” erwähnt, wahrscheinlich ist sie noch erheblich älter und geht auf Fischer  zurück, die hier saisonalen Fischfang betrieben. Nach einer Gebietsreform von 2013 bildet sich heute die Gemeinde “Moncarapacho e Fuseta”. In Fuseta gibt es seit 1904 einen der ältesten Bahnhöfe an der Algarve. Der Fahrradtransport im Zug ist übrigens kein Problem und hier an der Ostalgarve sogar kostenlos (ohne Gewähr). Allerdings verlangt das Ausladen aus den teils hohen Waggons bei schweren Fahrrädern einen Helfer. Man kann also z.B. auch bequem mit dem Zug anreisen und von Fuseta über den Radweg Ecovia do Litoral zurück radeln.

 

Nach Moncarapacho geht es von hier aus direkt über die lange, gerade Landstraße M516-2 in ca. 25 Minuten mit dem Rad. Meine gefahrene Strecke Santa Luzia – Fuseta -Moncarapacho – Fuseta- Santa Luzia betrug mit dem Rad über den Ecovia do Litoral knapp 40 Kilometer. Eine GPS-Karte am Lenker ist durchaus nützlich, es gibt viele Abzweigungen von der Piste. Achtung: In der Sonne erhitzt sich das schwarze Smartphone ziemlich stark, durch die Sonnenbrille erkennt man zudem den hoffnungslos überstrahlten Bildschirm kaum noch. Trotzdem ist es am Lenker erheblich hilfreicher, als eine Karte oder GPS im Rucksack. Ich fahre auf schwierigen Passagen gern mit der App Komoot auf meinem alten Smartphone. Selbst auf südfranzösischen Sandpisten im Schilf-Nirwana kannte sie den Weg ganz genau. Außer ich hatte vorher mal wieder vergessen die Karte offline zu speichern…

Karte Fuseta -Moncarapacho in Google Maps öffnen

 

Radtour nach Cacelha Vela

Radelt man den Ecovia do Litoral von Santa Luzia oder Tavira östlich in Richtung der spanischen Grenze vorbei an grünen Golfplätzen mit Heerscharen von Gärtnern auf Golfmobilen, so bietet  sich die Möglichkeit ein unglaublich idyllisches, altes Musemusdorf mit dem Namen Cacela Velha zu besuchen. Das ehemalige Piratennest aus dem Mittelalter besteht lediglich aus einer festungsähnlichen Erhebung mit Kirche, Kopfsteinpflaster, ein Paar Häusern und ca. 50 Einwohnern. Selbst für die Wikipedia ist das zu klein – oder noch immer ein Geheimtipp? Der wunderschöne Ausblick über die Lagune bis zur spanischen Grenze entschädigt die Radtouristen jedenfalls für alle Qualen der Anfahrt. Mit dem Rad kann man hinauf bis zur Kirche fahren, Autos müssen unten auf dem Parkplatz abgestellt werden.

Radtour nach Cacela VelhaPassionsblume an der Algarve

Heimische Pflanze an der OstalgarveDer Radweg Ecovia do Litoral führt über eine schiefe Brücke bei Tavira

Tipp: Für einen perfekten Snack direkt am Wasser kann man auf dem Rückweg nach Tavira eine Straße weiter links in die R. de Fábrica hinab zum Meer fahren. Nach ein paar Metern bergab eröffnet sich der Ausblick auf ein bildschönes Plätzchen für eine schattige Pause am Meer. Zurück nach Tavira sind es mit dem Rad circa 10 Kilometer, zurück nach Santa Luzia ca. 15 Kilometer.

Karte R. de Fábrica in Google Maps öffnen
Karte der Radtour nach Cacelha Vela in Google Maps öffnen

 

 

Radtour zur Ilha de Tavira

Die uralte Stadt Tavira entstammt wahrscheinlich dem 4. Jahrhundert vor Christus einer griechischen Siedlung. Nachdem die Gründung bzw. mehrfache Besetzung durch Phönizier (oder Karthager) von den Römern- und später von den Mauren abgelöst wurden, entstand bis heute ein schmuckes Städtchen, dass nach Pest und Vulkanausbruch bis 1920 größtenteils vom Thunfischfang lebte. Die mächtigen Schwärme haben ihr Durchzugsgebiet dummerweise verlagert, schließlich verschwanden später auch die Sardinen durch Überfischung. Tavira floriert heute vor allem durch den Tourismus, hat dabei aber seinen alten Charme aus mehreren Kulturen bewahrt.

Es ist Samstag Mittag und wir schlendern über einen großen, bunten Markt mit billigen Klamotten und Bergen von kunterbunten Plastikwaren. Eine Storchenfamilie nistet auf einem hohen Industriekamin aus roten Ziegeln. Alte Herren kommen mit Ihren uralten Mopeds aus den 60er Jahren mit Anhänger zum Markt gefahren. Auf den verölten Motoren prangen deutsche Zündapp-Logos. Restaurants befeuern zum Wochenende wild-rauchend ihre Außengrills. Es riecht intensiv nach gegrilltem Fleisch an der Hauptverkehrsstraße. Zahlreiche Geschäfte, Restaurants, Cafés teilen sich den 27.000 Einwohner großen Ort  mit einer Burgruine, verwinkelten Gässchen, einem Fluß mit einer Römerbrücke und der Ilha de Tavira. Die letztgenannte Insel wird von einer Fähre ab dem Kai Quatro Águas angefahren. Ein Campingplatz verhilft der schönen Insel zu zahlreichen Besuchern. Der schattenlose Sandstrand bietet laut Reiseführer auch im Sommer viel Platz.

Radtour zur Ilha de Tavira

Einsamer Strand mit Fahrrädern gegenüber der Ilha de Tavira

Portugisisches M70-Moped mit deutschem Zündapp-Motor in Tavira

Sonnenuntergang Santa Luzia

 

Ich konnte es nicht lassen hier am Strand von Praia dos Tesos im harten Sand die ersten Gänge des Mountainbikes mit den breiten Reifen auszuprobieren. Ein echter Offroad-Spaß ohne Abgase! Wir blieben mit unseren Rädern am Festland und fuhren am menschenleeren Strand bis zum Hotel und dann über die moderne Schnellstraßenbrücke zurück nach Santa Luzia. Die Tour war mit einigen Schlenkern in Tavira nur etwa 18 Kilometer lang, fühlte sich in der Mittagssonne körperlich aber mindestens doppelt so weit an. Vor vier Jahren sind wir morgens mit dem Zug nach Olhão gefahren und mit dem Rad die gut 20 Pisten-Kilometer zurück. Danach habe ich mir geschworen nie wieder ohne Radhose auf geliehenen Rädern offroad zu fahren. In diesem Urlaub ist an meinem eigentlich guten Fahrrad ein kleiner, unergonomischer Nachrüstsattel montiert, vermutlich weil der Originalsattel samt Sattelrohr mal gestohlen wurde – Schnellspanner sei Dank. Nun habe ich dem brettharten Kunststoff-Gestühl aber meine gepolsterte Radhose entgegen zu setzen. Man lernt nie aus!

Bis in die City von Faro mit dem Hauptverkehrsflughafen für die ganze Algarve sind es von Olhão aus nur noch gut neun Kilometer mit dem Fahrrad, oder zehn Kilometer mit der Bahn. Allerdings braucht man dann noch Energie, um sich die 50.000 Einwohner große Universitätsstadt mit den zwei Unis anzusehen. Wer sich gleich nach der Ankunft in Faro ein Rad leiht, kann das Bike vor dem Rückflug hier wieder abgeben und sich noch in aller Ruhe die Highlights von Faro ansehen. Neben einem Schifffahrtsmuseum gibt es unter anderem eine Barockkirche und ein ethnografisches Museum. Die Stadt ist laut Reiseführer nicht unbedingt ein reines Schmuckstück, dafür aber schon aufgrund ihres Alters sehr interessant. Touristen trifft man hier fast nur am Flughafen.

Karte Praia dos Tesos in Google Maps öffnen
Karte der Radtour zur Ilha de Tavira in Google Maps öffnen

 

 

Alle Ostalgarve-Radtouren auf einer Karte

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Tipps für die Ostalgarve mit dem Fahrrad


  • Der Radweg Ecovia do Litoral an der Algarve ist 214 Kilometer lang und führt bis nach Sagres. Ein GPS hilft bei der Orientierung
  • Die Ecovia belegt an der Algarve den Abschnitt Nr. 1 des Radrouten-Netzes Eurovelo, welches bis zum Nordkap in Skandinavien verläuft
  • Die Algarve wird spätestens ab Albufeira in westlicher Richtung sehr touristisch. Die Ostseite ist für Naturliebhaber attraktiver
  • Durch die Inselgruppe der riesigen Lagune “Ria Formosa” entsteht das tolle Gefühl zwei Strände vor- oder hinter sich zu haben
  • Für die Ecovia sind Mountainbikes mit Federgabel und Crossreifen am besten geeignet. Mit normalen Fahrrädern geht es auch (Flickzeug mitnehmen)
  • Die Anzahl an Elektrorädern nimmt übrigens auch an der Algarve stark zu: Sie erfordern zwingend eine Steckdose am Stellplatz…
  • Die Stärke der Sonnenbestrahlung ist auch in der Vorsaison extrem. Einheimische tragen deshalb immer Kopfbedeckungen
  • Die Saison endet oft mit einer noch warmen Vorweihnachtszeit. Zu Beginn des neuen Jahres wird es oft kalt und regnerisch

 

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