Scheibenbremsen bei Rädern selbst einstellen
Die folgende Anleitung funktioniert natürlich auch autark ohne einen Bremsbelagwechsel > siehe Teil 1. Alle neuen Bremsbeläge müssen bei Scheibenbremsen grundsätzlich eingefahren werden, um eine gute und ausdauernde Bremswirkung leisten zu können. Dazu bremst man 10-30 Mal aus ca. 30 km/h kräftig auf fast Null herunter. Die Bremsleistung erhöht sich während des Einbremsens auf den ersten 30-50 km spürbar. Die Prozedur ist für den Radfahrer immer ziemlich anstrengend und sollte abseits befahrener Straßen erfolgen. Ein gutes Training…
Nur bei organischen Belägen (“Resin”, Kunststoff) müssen die Bremsen NACH dem Einfahren eigentlich nochmal richtig warm eingebremst werden. Nicht alle Radfahrer wissen und machen das auch. Dazu eignet sich eine steile Bergabfahrt, bei der EINE Scheibenbremse bis an die Fadinggrenze gefahren wird. Achtung, die Bremsleistung reduziert sich durch die Hitze bis zum Totalausfall! Aus Sicherheitsgründen wird erst DANACH auch die andere Bremse an die Fadinggrenze gebracht. Man erkennt die Fading-Grenze außer einer schlechter werdenden Bremsleistung nicht genau, deshalb braucht man unbedingt noch die andere, verlässliche Scheibenbremse. Statt dieser risikoreichen Heißbremsprozedur für organische Bremsbeläge gibt es angeblich sogar noch Radler, die die Beläge vor dem Einbau mit der Belagseite einfach kurz auf eine heiße Herdplatte legen. Die flüchtigen Stoffe gasen dann sichtbar aus und die Beläge sind dann angeblich länger haltbar. Natürlich kann sich bei zu großer Hitze auch der Kleber lösen… mit allen gefährlichen Konsequenzen. Ich kann dazu leider nichts sagen und übernehme auch keine Verantwortung für diesen Tipp. Autohersteller schicken Ihre organischen Beläge vor der Auslieferung durch einen Brennofen (Scorching). Noch ein wichtiger Hinweis: Ich hafte nicht für die Richtigkeit der hier gezeigte Anleitung samt daraus resultierenden Folgeschäden!
Werden neue Fahrräder mit unsauber ausgerichteten Bremsen (also schief ab Werk) eingefahren, häufen sich die typischen Beschwerden über Fahrrad-Scheibenbremsen. Die Bremsen schleifen dann gern bei jeder Radumdrehung, sie lassen sich nicht gut dosieren, leiden schnell unter Fading und quietschen lautstark. Das Schleifen lässt sich oft mit großem Spiel der Beläge kompensieren, was dann aber fast immer Bremskraft kostet. Bei leicht schief montierten Bremssätteln schleifen sich die Bremsbeläge dann mit der Zeit asymmetrisch ab, eine spätere Korrektur erfordert dann neue Bremsbeläge.
Metallische Bremsbeläge brauchen generell eine wesentlich längere Einfahrzeit als organische Bremsbeläge. Dafür halten metallische Bremsbeläge nach der Einfahrtzeit auch länger und weisen meist eine höhere Bremsleistung auf – auf Kosten einer gewissen Geräuschentwicklung. Die Bremsscheiben selbst müssen für metallische Beläge freigegeben sein, sonst verschleißen sie extrem schnell. Oft steht diese Information direkt auf der Bremsscheibe – z.B. “Resin-Pad only”. Dann dürfen keine metallischen Bremsbeläge montiert werden. Ist das unbedingt gewünscht, müssen auch die Scheiben entsprechend gewechselt werden. Diese sind im Handel oft günstiger, als man vermutet.
Zum Einstellen und Ausrichten von Scheibenbremsen lockert man zunächst die mit Schraubensicherung fixierten Schrauben der Bremssattel mit einem Innensechskantschlüssel. Nur soweit lösen, dass sich der Bremssattel etwas bewegen kann. Ziel dieser Übung ist, dass sich der Bremssattel in gezogenem Zustand an der Bremsscheibe exakt zentriert, bevor der Bremssattel am Fahrradrahmen oder an der Gabel festgeschraubt wird. Bei manchen Systemen kann es erforderlich sein, den Bremssattel mit dünnen Korrektur-Blechen richtig auszurichten.
Danach wird am noch immer gelockerten Bremssattel die Einstellschraube soweit herein gedreht, bis ganz leichter Kontakt zur Bremsscheibe besteht, das Rad sich aber noch leicht dreht. Bei einigen Systemen gibt es auch zwei Einstellschrauben, die ebenfalls bis zum Kontakt hinein gedreht- und dann wieder 1/4 bis 1/2 Umdrehung heraus gedreht werden.
Betätigen Sie die Bremse ruhig ein paar mal vorsichtig, die noch immer losen Bremssättel rutschen dann in die richtige Position und das Spiel zwischen Bremsbelag und Scheibe ändert sich noch mal leicht. Bei vielen Bremsen soll der Abstand zur Bremsscheibe 0,2 – 0,4 mm betragen. Diese Spaltmaß ist am Fahrrad oft schwer zu erkennen, deshalb wende ich einen Trick an: Ich klemme einfach eine Visitenkarte bzw. eine Spielkarte flächig zwischen den Bremsbelag und die Scheibe und habe damit ungefähr gleich das richtige Spiel.
Bei Shimano bewegt sich nur ein Belag zur Scheibe, der andere ist fest und bekommt den Abstand mit der Karte, da er an dieser Seite ja fein eingestellt werden kann. Dann ziehe ich die Bremse und spanne den Bremshebel mit einem kräftigen Gummiring vor. Jetzt zentriert sich der Bremssattel am Rahmen, ohne dass ich den Bremsgriff ziehen muss. Erst danach ziehe ich die Schrauben des Bremssattels vorsichtig in mehreren Zügen wieder an. Diese müssen mit Schraubenkleber oder ähnlichem gesichert werden, falls sie sich leicht drehen lassen oder neu sind. Ein Drehmomentschlüssel ist hier Gold wert.
Dann wird der Gummiring und die Karte wieder entfernt. Läuft das Rad nun fast ohne zu schleifen leicht? Wenn ja – super! Wenn nicht: Ich musste meine Einstellungsschraube noch um zwei Klicks herausdrehen. Bei der Shimano BR-CX77 gibt es noch eine zweite Inbusschraube, um den äußeren Bremsbelag einzustellen (Siehe orangenen Pfeil im Bild). Diese ist in der Shimano-Anleitung kaum dokumentiert. Die Schraube ist für Einstellung des äußeren Bremsbelags aber genauso wichtig wie die Klickschraube des inneren Belags.
Interessanterweise reagiert die Schraube nicht sofort, sondern erfordert ein paar Umdrehungen, bevor der äußere Bremsbelag zur Scheibe wandert. Bei neuen Bremsbelägen beträgt die Standard-Einstellung der Länge der Shimano-Schraube aus dem Bremssattel inklusive Kopf 7 mm. In Anbetracht der Tatsache, dass diese mechanische Scheibenbremse ca. alle 100-200 km nachgestellt werden will, sage ich mal:”Very special” anstatt Fehlkonstruktion.
Zusätzlich kann der Hebelweg samt exaktem Druckpunkt noch mit der Einstellungshülse im Bowdenzug justiert werden. Dies ist fast immer nötig. Leichtes Schleifen ist normal und kann auch an einer ganz leicht verzogenen Bremsscheibe liegen. Man muss bedenken, dass sich das System erst wieder nach ein paar scharfen Bremsungen genau aufeinander einspielt. Dadurch erhöht sich das Spaltmaß automatisch noch etwas und das Schleifen wird weniger. Auf den ersten Fahrten würde ich zum Nachjustieren noch den passenden Inbusschlüssel mitnehmen. Falls Sie hier eingestiegen sind und neue Bremsbeläge montieren möchten: Wie das funktioniert steht im ersten Teil dieser Anleitung unter > Scheibenbremsbeläge tauschen.
Ich erspare mir hier die Kritik an Ausführung, Werkzeugeinsatz von mehreren Schlüsselgrößen und absolut mangelhafter Dokumentation seitens Shimano. “Wartungsfreundlich” geht sicherlich anders, normalerweise stünde ich nach jedem Wochenendtrip mit meinem Stevens Vapor Crossbike beim Händler zum “Bremsen nachstellen”. Dieses Debakel ist bei mechanischen Scheibenbremsen leider nur unter Insidern bekannt. Mechanische Scheibenbremsen haben schon viele dazu veranlasst, Ihr Rad wieder zu verkaufen. Ich arbeite noch daran.
Problem: Die Scheibenbremse zieht nicht so richtig, obwohl das Fahrrad noch recht neu ist
- Lösung 1: Die jungfräulichen Beläge sind noch nicht richtig eingefahren
- Lösung 2: Die Bremsen wurden nie eingefahren, aber bei einer steilen Bergfahrt gleich sehr stark beansprucht. Dann sind sie wahrscheinlich verglast. Dabei bildet sich eine knallharte Oberfläche ohne viel Reibwert. Hier hilft nur noch austauschen.
- Lösung 3: Die Beläge sind verölt z.B. durch Kettenspray, Siliconspray, Gabelölwechsel oder Hydrauliköl – austauschen.
- Lösung 4: Es sind falsche oder sehr günstige Nachbau-Bremsbeläge verbaut worden
- Lösung 5: Der Bremshebel am Bremssattel schlägt auf Metall, weil die Bremse nachgestellt werden muss oder die Beläge doch schon abgefahren sind (bei mir nach 1.000 km). Oder der Handbremshebel lässt sich bis zum Lenker durchziehen – evtl. auch den Bowdenzug einstellen.
- Lösung 6: Die Bowdenzüge sind schwergängig – diese sauber verlegen und gangbar machen. Falls sie geknickt wurden, müssen sie ausgetauscht werden. Es gibt Spezial-Bowdenzüge für Scheibenbremsen, die sich kaum dehnen bzw. stauchen z.B. von “Jagwire”. Die Bremsleistung steigt dadurch.
Problem: Die Scheibenbremse schleift bei jeder Radumdrehung
- Lösung 1: Die Bremsbeläge sind zu eng an der Bremsscheibe voreingestellt – ein paar Klicks lösen
- Lösung 2: Der Bremssattel ist nicht richtig symmetrisch und parallel zur Scheibe ausgerichtet – einstellen wie oben beschrieben.
- Lösung 3: Bereits benutzte Bremsbeläge wurden verkehrt herum oder vertauscht eingebaut – neue Beläge verwenden oder die alten entsprechend kennzeichen.
- Lösung 4: Die Bremsscheibe selbst ist nicht ganz plan. Das gibt es auch schon bei neuen Rädern ab Werk – oder nach dem Transport zum Kunden. Man kann versuchen sie vorsichtig mit entsprechendem Werkzeug und Geduld zu richten.
- Lösung 5: Die Bremsscheibe hat einen (Verschleiß-)Grad oder eine Riefe – austauschen.
- Lösung 6: Die Radnabe hat Spiel auf der Achse – Lager einstellen
- Lösung 7: Ein paar Schleifgeräusche gelten als normal. Es gibt einige Fälle, wo auch Fachleute mit viel Erfahrung ratlos sind.
Problem: Die Scheiben-Bremsbeläge am Rad nutzen sich sehr schnell ab
- Lösung 1: Sind organische Bremsbeläge (Resin etc.) verbaut hängt die Haltbarkeit stark vom Einsatz ab: Bei häufigen Bergfahrten, bei Crossbikes im schmutzigen Gelände, bei schwer bepackten Reiserädern kann es sein, dass die Bremsen bereits nach einer einzigen Tour von 50 km nachgestellt werden müssen. Hier hilft oft die Umrüstung auf metallische Beläge mit entsprechenden Bremsscheiben.
- Lösung 2: Bei permanent geforderten Bremshöchstleistungen lohnt sich evtl. auch der Umbau auf größere Bremsscheiben am Fahrrad z.B. von 160 auf 180 mm. Dies ist bei vielen Scheibenbremsen mit Hilfe von Spacern möglich.
- Je mehr Kühlschlitze die Bremsscheibe zieren, desto mehr raspelt das scharfe Metall natürlich auch die Bremsbeläge ab. Es gibt Bremsscheiben, eine geschlossene Reibfläche haben wie z.B. der “ASHIMA Mud-Rotor”, aber trotzdem sehr leicht sind.
- Lösung 3: Fahrstil überdenken und möglichst wenig bremsen 8-)
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