Trommelbremse verbessern

Neue EBC- Bremsbeläge für meine ’69er MZ

Wie verbessert man eine Trommelbremse? Der folgende Reparaturversuch ist bei mir schief gegangen. Trotzdem möchte ich hier eine Möglichkeit vorstellen, um Trommelbremsbeläge an Oldtimern effizient selbst über die Nabe mit Sandpapier einzuschleifen statt die Beläge händisch einzufeilen. Bei meiner alten meine MZ ES 250/2 von 1969 war im Sommer 2019 die vordere Bremsnabe verschlissen. Dies erfordert eine neue Nabe (die es kaum gibt), oder Bremsbeläge mit Übermaß, oder als Kompromiss das saubere Einschleifen von neuen Bremsbelägen auf das Übermaß der Nabe. Zusätzlich können die neue Beläge mit Zwischeneinlagen aus Blech eingebaut werden.

Das Ganze funktioniert aber nur, wenn neue Originalbeläge der verschlissenen, übergroßen Nabe angepasst werden. Bei etwas mehr Verschleiß erreicht man dies klassisch durch einfeilen der Beläge mit einer Schlichtfeile und sehr viel Geduld. Das Vorderrad muss dabei mindestens drei- bis fünfmal ein- und ausgebaut  werden. Bremsbeläge einbauen, fahren und Bremse betätigen, Bremse wieder ausbauen und verglaste Flächen wegfeilen. Diese Prozedur füllt oft einen ganzen Nachmittag pro Rad mit ungewissem Ausgang und viel Schweiß. Das Ziel ist dabei, das Tragbild der neuen Bremsbeläge möglichst genau an die meist etwas zu große Bremstrommel anzupassen und so die Bremswirkung der Trommelbremsen zu verbessern.

 

Bitte beachten:

  • Arbeiten an Bremsen erfordern Fachkenntnisse und Erfahrung!
  • Wenn Sie unsicher sind, gehen Sie zum Fachhändler oder in eine Werkstatt
  • Ich hafte ausdrücklich NICHT für die Richtigkeit der hier gezeigte Anleitungen, Aussagen oder Tipps samt möglicher Folgeschäden

 

Normalerweise funktioniert dieses mühselige Verfahren gut, aber irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem der Nabendurchmesser einfach zu groß geworden ist. Hier helfen nur noch Übermaßbremsbeläge aus Spezialbetrieben, die z.B. mit Hilfe einer Drehbank und exakten Messwerkzeugen genau an die Nabe angepasst werden. Dazu muss das Rad oder zumindest die Nabe samt Bremse abgegeben werden, sonst funktioniert es nicht. Problematisch ist auch die Messung des Nabendurchmessers. Mit einem normalen Messschieber geht das nicht. Mit einem extragroßen für Außenmaße konstruiertem Messschieber funktioniert es nur dann genau, wenn zwei Kugeln mit Heißkleber auf die Wangen aufgeklebt werden, da die Wangen sonst den höher stehenden Grad neben den Bremsbelägen an der Nabe messen. Mein Tipp für die Wintersaison: Unter dem Schlüsselwort “Reibbelagservice” googeln. Mitten im Sommer wollte ich mein Vorderrad aber nicht einfach für unbestimmte Zeit wegschicken, deshalb versuchte ich, neue Standardbremsbeläge mit eingeklebtem Sandpapier in der Nabe selbst einzuschleifen. Schauen wir uns die die Trommelbremse mal genauer an:

 

Wirkungsweise einer neuen und einer verschlissenen Trommelbremse

Wirkung alter und neuer Bremsbeläge in Trommelbremse

Links: Neue Bremsbeläge in neuer Nabe, rechts neue Bremsbeläge in verschlissener Nabe. Die Bremsbacken liegen nicht mehr voll an und die Bremswirkung lässt rapide nach. Die Beläge neigen an dieser Stelle durch hohe Hitze “zum verglasen” und lassen in ihrer Wirkung zusätzlich nach.

 

Dazu muss man wissen:


  • Oldtimer-Bremsen aus den 60er Jahren haben keinesfalls die Bremswirkung von modernen Fahrzeugen
  • Trommelbremsen haben generell nicht die gleiche Bremsleistung wie Scheibenbremsen (sondern andere Vorteile)
  • Die MZ-Trommelbremse von 1969 ist ab Werk schon nicht optimal, sondern hat aufgrund der komplett innen liegenden Bauweise häufig schlechter Bremsleistung zu kämpfen
  • Eine alte Trommelbremse muss generell von Grund auf penibel gereinigt, gangbar gemacht und an den Drehpunkten sparsam mit Kupfer- oder Keramikpaste geschmiert werden.
  • Erst dann kommen die neuen Bremsbeläge, die absolut fettfrei eingebaut werden und genau passen müssen
  • Ein neuer, leichtgängiger Qualitäts-Bowdenzug ist obligatorisch

 

 

Neue Trommelbremsbeläge sauber einbauen

Restaurierte Trommelbremse MZ

Die neuen EBC-Beläge wurden nach allen Regeln der Kunst mit hitzebeständiger Keramikpaste und einem neuen Bowdenzug montiert. Früher habe ich dafür Kupferpaste benutzt. Die Nippel des neuen Bowdenzugs wurden ebenfalls leicht eingefettet. Die Seele wurde leicht geölt. Beim festschrauben der Radachse muss unbedingt die Bremse gezogen werden, damit sich der Sitz der Trommelbremse zentriert! Andernfalls wird sie immer schleifen und schlecht bremsen. Nach dem Festschrauben des Vorderrads wird vor der ersten Probefahrt die Bremswirkung beim schieben getestet. Ist sie kaum spürbar, sollte man erst gar keine Probefahrt machen. Evtl. muss dann der Bowdenzug etwas vorgespannt werden, auch wenn die Bremse ganz leicht schleift. Die Bremswirkung ist bei alten Fahrzeugen mit neuen Belägen normalerweise erstmal unterirdisch schlecht, da die Bremsbeläge nur an wenigen Stellen tragen: Im Normalfall ist der Nabendurchmesser über die Jahre durch Verschleiß größer geworden. Die neuen Beläge passen nicht richtig, sie sind zu klein. Um eine Trommelbremse zu verbessern, müssen die Beläge aber zu zwei drittel anliegen. Insbesondere die auflaufende (also sich selbstverstärkende) Bremsbacke muss flächig tragen. Daran müssen wir jetzt solange saubere Radien feilen bis die Beläge passen. Normalerweise bekommt man so nach 4-5 mal Rad einbauen, fahren, feilen,  wieder einbauen, wieder fahren irgendwann eine optimale Bremswirkung hin, wenn die Beläge zu zwei Drittel tragen. Dieses Verfahren ist mühsam, führt aber zum Ziel – zu einer optimalen Wirkung der Trommelbremse.

 

Einfeilen der Bremsbeläge

Trommelbremsen einfeilen

Nach der ersten Probefahrt entstehen sichtbare, verglaste Flächen auf den Bremsbelägen. Nur dieser Teil des Bremsbelags trägt und wird daher ziemlich heiß: Er “verglast” an den tragen Stellen. Diese Bereiche werden mit einer Schlichtfeile vorsichtig abgefeilt. Danach wird das Rad wieder eingebaut, Probebremsungen gemacht, wieder ausgebaut, gefeilt usw. bis mindestens zwei drittel des Bremsbelags tragen. Dazu wird das Rad wie schon beschrieben zigmal ein- und ausgebaut. Irgendwann ist die Bremswirkung dann zufriedenstellend. Bei verschlissenen Naben mit etwas größerem Durchmesser ist das eine Wahnsinnsarbeit, die man wesentlich effizienter erledigen kann, indem man die Nabe mit Sandpapier auskleidet. Vom Einbremsen rein durch einfahren kann ich nur abraten: Es dauert hunderte von gefährlichen Kilometern…

 

 

Bremsnabe mit Sandpapier auskleiden

Trommelbremsbeläge mit Schleifpapier passend einschleifen

Dazu habe ich 120er Schleifpapier und dünnes, doppelseitiges Klebeband benutzt. Das Schleifpapier und das doppelseitige Klebeband müssen möglichst dünn sein, da sonst die echte Bremsnabengröße zu sehr verfälscht wird: Die neuen Beläge werden dann “zu klein” geschliffen – der Durchmesser verringert sich so leider schon um zweimal 0,5 Millimeter.

 

Alte Trommelbremsen passend einschleifen

Breite der Bremsbeläge = Breite des Schleifpapiers stellte sich bei mir als falsch heraus. Das Schleifpapier muss etwas schmaler sein, da sich in der Nabe schon ein leichter Grad gebildet hatte. Die Beläge arbeiten sich über die Jahre leicht ins Material der Nabe und außen bleibt ein etwas höherer, aber unsichtbarer Rand stehen.

 

Bremsen einschleifen

Hier tragen beide Schichten (Schleifpapier und Klebeband) zusammen ca. 0,5 Millimeter auf. Wie schon oben beschrieben ist dieser Wert hinterher in Form von etwas “zu kleinen Bremsbelägen” spürbar, da das Klebeband samt Schleifpapier von der Nabe ja wieder abgezogen wird.

 

Trommelbremsnabe zum Einschleifen der Beläge mit Schleifpapier und Klebeband

Das Sandpapier muss möglichst exakt und fest in die Nabe eingeklebt werden. Leider kann es dann nach dem Einbremsen naturgemäß nicht mehr so einfach entfernt werden. Nachtrag Mai 2020: Wahrscheinlich ist es besser, die Nabe nur ein kleines Stück mit Sandpapier auszukleiden, und nicht wie hier im Bild vollflächig! 

 

Trommelbremsnabe zum Einschleifen der Beläge mit Schleifpapier

Ich habe bewusst eine kleine Aussparung stehen lassen, in der sich der abgeschliffene Bremsbelagstaub sammeln kann. Nachtrag Mai 2020: Wahrscheinlich ist die schmale Lücke viel zu klein…

 

Schleifpapier in Bremsnabe

Beim ersten Test nach dem Einbau stellte sich heraus, dass die verschlissene Nabe bereits einen Grad hat. Das Rad drehte sich mit Schleifpapier kaum. Ich musste das Vorderrad vorsichtig wieder ausbauen und außen nochmal einen Rand von 3 mm vom Schleifpapier mit dem Cutter abschneiden. Eben genau dort, wo die dunklen Stellen auf dem Schleifpapier zu sehen sind.

 

Bremsen einschleifen

Danach konnte ich das Vorderrad ganz leicht mit Schwung drehen und dann vorsichtig den Bremshebel ziehen… Das Ganze habe ich dreimal vorsichtig gemacht und danach das Motorrad mit ganz leicht gezogener Bremse ein paar Meter geschoben. Das war ein Fehler: Dabei riss die schleifende Bremswirkung plötzlich abrupt ab. WICHTIGER HINWEIS: KEINESFALLS DARF SO GEFAHREN WERDEN! Ich baute das Rad wieder aus und war erstaunt über die sichtbare Gleichmäßigkeit der neuen Beläge:

 

Eingeschliffene Trommelbremsbeläge mit verbesserter Bremswirkung

Das sieht wirklich nach perfekt eingeschliffenen Bremsbelägen aus! Die gesamte Bremsbacke trägt auf der gesamten Fläche! Ein tolles Ergebnis…

 

Oldtimer-Bremsen selbst einschleifen

Leider ist durch das Schieben das doppelseitige Klebeband abgerissen. Bremsen unter etwas Belastung (Motorrad schieben) ist mit eingeklebtem Schleifpapier also keine gute Idee. Andererseits war der Einschleifprozess der Beläge auch sichtbar abgeschlossen. Echte Hoffnung keimte in mir auf…

 

Schleifpapier in Bremsnabe entfernen

Das Entfernen des zerfetzten Klebebands samt Schleifpapier entpuppt sich als Fleißarbeit. Die Nabe habe ich anschließend noch gründlich mit Bremsreiniger gereinigt das Vorderrad wieder eingebaut. Der Große Moment war dann gekommen: Wird die Trommelbremse mit den neuen, perfekt eingeschliffenen Belägen jetzt richtig gut bremsen? Wird sich die Bremswirkung dramatisch verbessern?

 

 

MZ Vorderrad mit Trommelbremse von 1968

Das Oldtimer Ersatz-Vorderrad mit einem uralten Heidenau K5-Reifen aus DDR-Produktion

Leider nein, die Bremswirkung war trotz des perfekten Einschleifprozesses superschlecht. Viel schlechter, als mit den abgefahrenen Altbelägen. So richtig verstanden habe ich das nicht. Die Beläge waren irgendwie weicher, der Bowdenzug ließ sich bis zum Lenker ziehen. Das lag wahrscheinlich einfach an der verschlissenen, zu großen Nabe. Leider konnte ich diese mangels passendem Werkzeug nicht ausmessen. Eine lose, gute Ersatznabe, die ich als Ersatzteil noch im Keller hatte, signalisierte mir testweise dann das physikalische Ende meines bisherigen Vorderrads: Der Innendurchmesser meiner Keller-Nabe war noch deutlich kleiner. Das Einspeichen dieser Ersatznabe samt neuer Felge, Speichen, Nippel, zentrieren usw. sollte allerdings ca. 300,- EUR beim Händler kosten. Zuviel für meinen Geschmack. Ich baute für den motorisierten Saisonausklang erstmal alles  mit den alten Teilen wieder zusammen. Dies war frustrierend, die ganze Arbeit war umsonst, die neuen Beläge quasi unbrauchbar, da an die verschlissene Schrottnabe angepasst.

Über Weihnachten besorgte ich mir bei Ebay mit ganz viel Glück ein gebrauchtes MZ-250 ES/2 Vorderrad mit einem uralten Heidenau-K5 Reifen aus den allerbesten DDR-Zeiten. Der Reifen mit dem alten Schlauch ließ sich sogar noch aufpumpen, so konnte ich das Vorderrad samt Bremse “out of the box” erstmal ganz vorsichtig testen.

 

Oldtimer MZ Es250/2 Trommelbremse von 1968

Ungewartete Originalbremse: Nach 50 Jahren noch in passablem Zustand. Vor der ersten Testfahrt habe ich sie gewartet.

Auch die Trommelbremse innen war samt aller Teile noch komplett Original DDR-Ware 70er oder 80er Jahre. Nach gründlicher Reinigung, fetten mit Keramikpaste und sorgfältiger “Gangbar-Machung” baute ich das alte Vorderrad in meine MZ ein und machte ganz vorsichtig ein paar Testbremsungen. Überraschenderweise hatte die Bremse nach etwas etwas Warmfahren richtig Biss! Der Reifen blockierte sogar vorn auf nasser Fahrbahn: Viel mehr Bremsleistung als ich jemals vorher hatte! Nach Stunden der erfolglosen Schrauberei freute ich mich richtig.

 

Mitas Reifen für Oldtimer MZ

Da in ein paar Monaten wieder TÜV ansteht und meinem Vorderradreifen schon das letzte Mal eine deutliche Altersschwäche prognostiziert wurde, investierte ich noch in neue Reifen und bin jetzt glücklich: Die alte MZ mit dem Austauschvorderrad bremst nun wieder richtig gut – Teiletausch sei Dank, manchmal ist das eben doch unumgänglich. Nachtrag Mai 2020: Die alten Bremsbeläge habe ich nachträglich noch gegen neue getauscht, die wieder mit viel Mühe – wie oben beschrieben – eingefeilt wurden. Auch hier konnte ich den Bremshebel erst bis zum Lenker ziehen. Mit jedem Feilen wurde die Bremswirkung jetzt aber spürbar besser. Die Trommelbremse war nach vier Zyklen einfeilen, fahren, verglaste Flächen abfeilen schon voll einsatzbereit, weil die Nabe nicht so verschlissen war. Außerdem hab ich diesmal darauf geachtet, dass der auflaufende Bremsbelag sauber anliegt. Die Bremsleistung der Trommelbremse verbesserte sich gegenüber dem alten, harten MZ-Belag nur minimal, aber das Knatschgeräusch beim Langsamfahren war weg, das Warmbremsen entfiel und die Trommelbremse wurde besser dosierbar. Außerdem war es ein gutes Gefühl, alle alten Bremsteile samt Feder, Sprengringen und Belägen gegen neue Teile ausgetauscht zu haben, die nicht schon 40 Jahre alt sind.

 

Trotzdem möchte ich mit dieser Anleitung dazu ermutigen, neue Trommelbremsbeläge auch mit Schleifpapier auf eine alte Nabe geometrisch anzupassen. Man kann das bei alten Schätzchen schon versuchen, bevor so ein 50 Jahre altes Oldtimer-Vorderrad in die Tonne fliegt. Die Chancen eine leicht verschlissene Nabe auf diese Weise noch retten zu können, stehen eigentlich ziemlich gut. Außerdem wachsen die Teile nicht auf Bäumen nach. Gerade bei alten Trommelbremsen hat man danach oft jahrelang wieder Ruhe, wenn diese einmal gewartet- und wieder perfekt aufeinander eingebremst sind. Das gilt nicht nur für MZ sondern auch für SIMSON-Mopeds und andere Klassiker. Um Oldtimer selbst wirtschaftlich zu warten, gibt es nicht immer die EINE Lösung, sondern mehrere, die man einfach ausprobieren muss. Gute Bremsen sind im heutigen Verkehr jedenfalls sehr viel wert.

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