Meine Suche nach Inner Bar-Ends im Internet entpuppte sich als unbefriedigend. Einen halben Triathlon-Lenkeraufsatz, den ich mir als Mini-Zeitfahrlenker vorstellte gab es nicht, sondern nur kurze, teure Knubbel. Ich suchte auch keine Lenkerhörnchen, die einfach außen an die meist geradlinigen Lenkerenden von Trekking- oder Mountainbikes zum Umgreifen montiert werden, sondern innen. In meinen Vorüberlegungen ging es vor allem darum, die Aerodynamik an meinem Pendler-Fahrrad zu verbessern, ohne einen Rennlenker montieren zu müssen. Ich surfte nach Lenkerhörnern, die meinen superbequemen Citybike-Lenker in einen rudimentären, strömungsgünstigen Triathlonlenker verwandelt, ohne die Linie meines Commuterbikes komplett zu verschandeln. Wer mal auf einem Rennrad gefahren ist, kennt die immensen Vorteile der verschiedenen Greifbereiche zwischen oberer und unter Bremsgriffhaltung, sowie der Möglichkeit zwischendurch mal ganz entspannt weit aufrecht radeln zu können.
Die Möglichkeit des Umgreifens, sich ab ca. 27 km/h flach zu machen und dem Wind viel weniger Angriffsfläche zu bieten, formierte sich in meinen Gedanken zu einem kostengünstigen Traum, auf langen Wegen mit Rad durch diese Art von halbem Zeitfahrlenker wirklich viel Pedalkraft einzusparen. Den Rücken mal richtig strecken zu können, den Po zeitweise zu entlasten, indem ich mein Gewicht mehr auf den Lenker verlagere, den Handgelenken zeitweise eine ganz andere Position zu ermöglichen – kurzum, die gesamte Fahrgeometrie eines schnellen Stadtrades mit der eines Reiserennrads zu vermählen.
Die Umsetzung dieser Spinnerei in die Realität kostete mich knapp 20,- EUR in Form von einem Satz “BBE-07-BAR ENDS” sowie 144 Gramm Zusatzgewicht, eine Menge Fummelei und Schrauberei, denn jeder Millimeter meines Fahrradlenkers ist bereits seit Jahrzehnten mit einer Menge Unverzichtbarkeiten bestückt. Neben einer überlebensnotwendigen Klingel in der Großstadt benötige ich als Pendler unbedingt parallel zwei Akku-Scheinwerfer im Winter, um die Fahrbahn abends auch bei Nässe auszuleuchten und im Gewimmel von Xenon-Autoscheinwerfern zu überleben.
Dazu kommt noch ein Digitaltacho plus Drehgriff für die Nexus Premium Nabenschaltung, sowie die üblichen zwei Bremsgriffe. Auf der linken Seite des Lenkers habe ich mir in Form eines Moosgummi-Schlauchs zusätzlich noch die Möglichkeit des einhändigen Umgreifens in Richtung Vorbau gelassen. Damit kann ich mich kurzzeitig mal flach abducken, indem ich meine vier Buchstaben weit hinten über den Sattel schiebe. Genau dieser sehr komfortable Umstand brachte mich auf die Idee mit den “Inner Bar-Ends”.
Um es kurz zu machen: Der einst ganz schlichte Klassik-Lenker meines Stevens Citiflyers ist randvoll mit sinnvollem Radfahr-Gedöns sowie einer einhändigen Freifläche für kurze Spurts. Und jetzt kommen noch zwei Alu-Hörnchen dazu.
Montage der Bar-Ends innen
Die Lenkerdurchmesser sind beim Fahrrad genormt, zumindest das Außenmaß für Griffe, Bremshebel usw. Aber zum Vorbau hin gibt es große Unterschiede in Form von Kröpfungen und Kurven. Selbst, wenn sich der Lenker-Durchmesser nicht ändert bleiben die Hörnchen in jeder kleinsten Lenker-Kurve hängen und verursachen Kratzer, wenn man die Klemmvorrichtung nicht künstlich aufspreizt – z.B. mit Hilfe eines größeren Schraubendrehers. Griffe, Bremshebel, Schaltungskomponenten, Tacho und die Klingel müssen vorher demontiert werden. Der Bowdenzug der Vorserradbremse war zum Abziehen des Bremshebels am montierten Lenker zu kurz, ich musste den Bowdenzug abmontieren.
Danach habe ich die Lenkerhörnchen erstmal lose aufgesteckt. Ich wollte die Bar-Ends zunächst im Stand und dann während der Fahrt ergonomisch ausrichten, aber der gekoppelte Schalt-Bremsgriff der Shimano Nexus mit seinen Bowdenzügen machte mir einen Strich durch die Rechnung. Der Bremsbowdenzug lief unter dem rechten Hörnchen entlang- der Schaltbowdenzug musste zwingend darüber verlegt werden. Dadurch war der Winkel des Bremshebels vom Winkel des des rechten Lenkerhörnchens abhängig. Shimano hat den Drehgriff der ersten Nexus-8-Gang-Versionen mit dem Bremsgriff als ein einziges Kombi-Modul konstruiert.
Alle möglichen Winkel wurden dadurch extrem eingegrenzt, denn die linke Seite der Lenkarmaturen sollte ja symmetrisch sein. Schon zwei Baujahre später waren Bremsgriff und Schaltdrehgriff beim Stevens Cityflyer 2007 zwei unabhängige Teile. Das Problem lässt sich also umschiffen, indem man einen separaten Nexus Bremshebel sowie einen davon entkoppelten Nexus Drehgriffschalter käuflich erwirbt. Aber die Teile hatte ich am Wochenende nicht da. Also wurde solange gedreht, geschoben und verstellt, bis die Lenker-Hörnchen einen passenden Platz fanden. Diese sind dadurch immer weiter zusammen in Richtung Vorbau gerutscht, als mir lieb war. Beim Fahren lenkt sich das Rad trotzdem ausgesprochen stabil und bleibt kalkulierbar.
Bei den Triathlonlenkern ist das ähnlich. Der mögliche Platz für die Bar Ends bei einer inneren Lenkermontage kann z.B. aufgrund der Bowdenzugverläufe sehr knapp bemessen sein. Langes Grübeln hilft da nicht, man muss es an seinem eigenen Fahrrad einfach ausprobieren. Die Klemmvorrichtung der der Hörnchen funktioniert jedenfalls tadellos. Egal ob in einer Lenkerkurve oder nicht, nach den angegebenen 8 Nm Drehmoment mit einem Inbusschlüssel sitzen die Lenker-Hörnchen bombenfest. Ein nachträgliches Verstellen des Winkels ist ebenfalls problemlos möglich.
Ich habe die Lenkerhörnchen nur leicht angezogen, um während der ersten Testfahrten noch Korrekturen machen zu können. Zwei-bis dreimal muss man schon um den Block fahren, um die bestmögliche Position der Bar-Ends herauszufinden. Wenig überraschend für mich: Jeder geänderte Millimeter ist während der Fahrt deutlich spürbar. Insbesondere der gewählte Drehwinkel der Bar-Ends macht sich spontan bemerkbar. Denn man möchte ja eine echte Alternative zum bisherigen Standard-Lenkergriff erhalten, ohne sich verrenken zu müssen.
Ergonomie am Fahrradlenker
Gerne würde ich mit mit meinen Händen einen möglichst fließenden Übergang während des Umgreifens am Lenker ermöglichen, aber da gibt es dann die Fahrradklingel, die dummerweise mitten im Weg steht. Ist dafür am Lenker kein Platz mehr, kann die Klingel z.B. auch am Vorbau fixiert werden. Ich persönlich finde es allerdings suboptimal, wenn die Hände beim Klingeln nicht fest am Lenker (und an den Bremsen) bleiben können, weil man dann einhändig mit dem Rad in eine tendenziell brenzlige Situation hinein rauscht.
Zusätzlich sind bei mir noch zwei Akku-Scheinwerfer montiert, welche die theoretisch mögliche Einstellerei der Hörnchen auf ganz pragmatische Art und Weise einschränkt. Es gibt zwischen den Scheinwerfern und den Bar-Ends kaum Platz für Hände. Ich tröste mich damit, spätestens ab dem Frühling auf einen Akku-Scheinwerfer verzichten zu können. Das Ausprobieren der neuen Umgreifmöglichkeiten ist mir in diesem Stadium wichtiger, als irgendwelche Lampen, die man nachträglich mit einem Scheinwerferadapter noch an einer ganz anderen Position fixieren kann. Es hängt alles davon ab, wieviel die neue Griffposition im Alltag wirklich taugt…
Erste Probefahrt mit den innen liegenden Lenkerhörnchen
Da es seit seit Wochen knapp über den Gefrierpunkt regnet, konnte ich die innenliegenden Bar-Ends nach der Montage nur kurz im Dunkeln vor der Haustür testen. Das Ergebnis ist aber jetzt schon sehr vielversprechend, denn nachdem die Hörnchen noch mit Moosgummi bezogen waren, stellte sich sofort ein ergonomisches Wohlfühlgefühl ein. Die Langstrecke wird es dann zeigen. Ich werde hier noch ausführlich darüber berichten. Vorher bleiben die Moosgummischläuche noch unfixiert. Selbstverständlich ist gerade hier zukünftig noch viel Luft nach oben: Die preiswerte Polsterung kann zusätzlich noch mit einem Lenkerband umwickelt werden. Statt des Moosgummis gibt es im Rennradzubehör dämpfungsaktive Gel-Schläuche, die z.B. in Leder eingenäht werden können.
Wem die Montage zu kompliziert erscheint, kann auch auf einen fertigen Fahrradlenker zurückgreifen, der allerdings nicht preiswert ist: Der der H-Bar von Jones gilt in der Reiserad-Szene als Geheimtipp für lange Strecken. Gleich ein komplettes Rad mit einer zweiten Lenkerstange zum Umgreifen gibt es auch fertig zu kaufen: Das Koga X-Over. Bei einer Probefahrt beim Händler stellte sich allerdings für mich persönlich heraus, dass der Lenker viel zu breit ist. Außerdem ist mir das Rad mit für meinen Einsatzzweck in Anbetracht des stolzen Preises zu schwer. Aber es sieht sehr gut aus…
Test und Fazit der Inner Bar-Ends Montage
Nachtrag Februar 2018: Die ersten 120 Kilometer Probefahrt mit den Inner Bar-Ends liegen diese Woche hinter mir. Anfangs war der Abstand des Sattels zu den Bar-Ends zu groß. Nach 10 Kilometern mit starkem Gegenwind taten mir die Unterarme weh. Die zweite Testfahrt mit Rückenwind war schon besser. Danach montierte ich die störende Klingel auf die linke Seite und hatte endlich Platz für eine beidhändige Handballenauflage am Lenker – da wo die Bar-Ends verschraubt sind. Zusätzlich habe ich den Sattel noch 8-10 Millimeter nach vorn zum Lenker geschoben. Damit passen die Bar-Ends zum Rad und zu meiner Körpergröße.
Deutlich spürbar ist die bessere Aerodynamik. Stützt man die Handballen auf den Lenker, steht der Oberkörper nicht mehr so im Wind. Greift man die Lenkerhörnchen weiter vorn und rutscht zwei Zentimeter weiter zum Lenker, entsteht eine entspannte, geduckte Stellung, die ich ohne Training mühelos länger halten konnte.
Etwas Eingewöhnung ist aber nötig – auch mit einem Rennradlenker muss man erstmal trainieren, bevor es auf dem Rad bequem wird. Einzig die fehlenden Bremsen ohne kurzes Umzugreifen sind gewöhnungsbedürftig – auch wie beim Rennrad.
Fazit: Insgesamt eine sinnvolle, preiswerte und kraftsparende Investition in mein Pendlerrad. Das lange Probieren mit den Einstellungen hat sich gelohnt. Die Lenkerhörnchen erlauben eine 1-3 km/h höhere Endgeschwindigkeit ohne Quälerei. Ich habe mich auf ruhigen Landstraßen selbst dabei ertappt, in einen Flow zu verfallen, obwohl ich die Hände über mehrere Kilometer mit gestrecktem Körper an den Lenkerhörnchen hatte. Das waren für mich absolut positive Signale, die mir selbst zeigten, dass die Haltung so eigentlich gar nicht falsch sein kann. In der City machen die Bar-Ends weniger Sinn, häufiges Umgreifen (zu den Bremsen) bringt hier eher Unruhe in den ruhigen Fahrstil. Muss man ja auch nicht. Aber auf ruhigeren Strecken greife ich gerne mal um, spare Kraft im Gegenwind und verschmelze mit dem Rad zu einer Einheit, ohne groß darüber nachzudenken. Das ist für mich persönlich der Schlüssel. Für mich stellt sich schon die nächste Frage: Werde ich dieses Gefühl auf dem Rennrad in der kommenden Saison vermissen?
Nachtrag: Das leichtere Fahren resultiert vielleicht auch von der etwas weiter nach vorn gerückten Sitzposition – eben direkter über den Pedalen, wie bei der Geometrie eines Triathlonrads. Wahrscheinlich muss ich den Sattel jetzt noch ein paar Millimeter höher stellen, da der Weg zu den Pedalen minimal kürzer geworden ist.
Zweiter Nachtrag im Sommer 2018: Die Lenkerhörnchen sind einfach Gold wert! Nach ungefähr 1.000 Testkilometern hatte ich die nötige Körperspannung, um sie während der Fahrt im Flow vollends vergessen zu können. Sie helfen aerodynamisch bei höheren Geschwindigkeiten, bei Gegenwind und auf längeren Etappen dem Sitzfleisch durch die Möglichkeit, einfach mal umgreifen zu können. Ich frage mich mittlerweile ernsthaft, warum da vorher nur Einzelfahrer drauf gekommen sind…
Vorteile innenliegender Lenkerhörnchen
- bessere Aerodynamik durch einen gestreckten Körper auf MTBs, Trekking- und Pendlerrädern
- spart Kraft, ermöglicht höhere Durchschnittsgeschwindigkeiten, weniger Angriffsfläche bei Gegenwind
- Entlastung des Sitzbereichs, da auf dem Sattel wie beim Rennrad mehrere Positionen eingenommen werden können
- Möglichkeit einer zweiten und dritten Griffposition, um die Handgelenke und Hände zu entlasten
- Psychologische Hilfe in Form einer anderen Körperhaltung / einer Option, die das Fahrempfinden deutlich änder
- Unterbrechung der langweiligen Hamsterrad-Routine bei längeren Strecken
- Preiswertes Zubehör unter 20,- EUR mit nur 144 Gramm Zusatzgewicht
Nachteile von “Inner-Bar-Ends”
- Die Hände sind nicht permanent in Bremsgriffstellung (Gewöhung wie beim Rennrad erforderlich)
- Zeitaufwendige Montage mit hohem Testaufwand, bis die Hörnchen ergonomisch wirklich passend sitzen
- Bei konifizierten Lenkern ist ein Verschieben nach innen zum Vorbau hin nicht möglich
- Lenkerapplikationen wie Klingel, Scheinwerfer usw. müssen fast immer umgebaut werden
- Die entstehende Optik ist Geschmackssache