Kette wechseln am Fahrrad

Ein Kettenwechsel ist mit dem richtigen Know-how und passendem Werkzeug relativ einfach

So klappt der Wechsel einer Fahrradkette

Eine Fahrradkette ist ein extrem hoch beanspruchtes Bauteil, das ca. alle 1.500 bis 2.500 Kilometer ausgewechselt werden soll. Dabei gibt es genau zwei sinnvolle Philosophien, wann eine Kette wirklich verschlissen ist und wieviel der Austausch kosten darf: Kette regelmäßig wechseln oder samt Zahnradpaketen bewusst zu Schrott fahren. Es gibt Schönwetter-Radler, die fahren mit einer guten Kette und Nabenschaltung bei bester Pflege bis zu 8.000 km. Danach sind aber das Ritzelpaket und der Kettenkranz (oft auch die ganze Tretkurbelgarnitur) über alle Verschleißgrenzen hinaus derangiert und müssen unbedingt mit ausgetauscht werden. Das kostete bei meinem Stevens Citiflyer beim Händler mal eben 200,- EUR. Eine neue Kette allein wäre hier schon nach ein paar hundert Kilometern komplett ruiniert gewesen, da die Zahnräder nicht mehr maßhaltig sind. Seitdem probiere ich die zweite Philosophie: Die Kette lieber alle 2.000 km oder jährlich pro Fahrrad eben selbst wechseln. Eine gute Qualitätskette mit neuem Schloss ist für Räder mit Nabenschaltungen schon unter 20,- EUR zu haben.

 
Vergleich 8-fach und 11-fach Kette

Vergleich 8-fach und 11-fach Kette

Vor dem Kettenkauf muss genau auf die alte Kettenbezeichnung geschaut werden, die oft auf den Gliedern steht. Eine 7/8-fach Kette für eine Nabenschaltung sieht fas so aus wie eine teure 11-fach Rennradkette z.B. für die Shimao Ultegra. Sie unterscheidet sich optisch nur bei genauem Hinsehen minimal in der Breite. Anhochleistungsketten für Kettenschaltungen gibt es an den Seiten der Kettenglieder oft noch kleine Sicken, die den Schaltvorgang noch komfortabler machen. Und: Es gibt sehr große Qualitätsunterschiede zwischen billigen und etwas teureren Ketten, die oft viel länger halten. Also Augen auf beim Kettenkauf!

 

Eine Kette ohne Kettenschloss muss mit einem Kettentrenner geöffnet werden

Als Werkzug benötigt man zwingend einen Kettentrenner. Hier reicht bei sachgemäßer Anwendung, handwerklichem Geschick und einfachen Nabenschaltungsketten evtl. schon ein Multi-Tool – der Kettentrenner ist hier häufig schon mit dran. Das ist natürlich kein Werkzeug für Shimano 11-fach Hochleistungs-Schaltketten an teuren Rennrädern, sondern wirklich nur für den Notfall oder für ein erstes Ausprobieren geeignet. Bei schiefem Ansetzen bricht der Dorn, oder die Gegenhalter brechen ab. Gibt man sich etwas Mühe, geht es z.B. bei einfachen Schaltungsketten aber auch damit. Tipp für alte Schrauber-Hasen: Ein Multi-Tool ist zum Ketten wechseln immer noch viel, viel besser geeignet als ein Durchschlag mit einem Dorn samt Hammer in ein Brett mit einem Sackloch… wie man das früher gern bei Motorrädern gemacht hat. Moderne Fahrradketten sind absolute Präzisionsteile. Also nix mit Hammer. Ab 30,- EUR bekommt man bereits einen günstigen Kettentrenner, der diesen Namen auch verdient, aber immer noch vorsichtig eingesetzt werden will.

Ketten trennen und vernieten mit einem einfachen Multitool

Ketten trennt man zur Not auch mit einem einfachen Multitool

Eine Fachwerkstatt arbeitet mit Kettentrennern, die weit über 100,- EUR kosten. Ältere Räder, oder Räder bei denen die Kette schon mal gewechselt wurde, verfügen auch oft über ein Kettenschloss, dass ganz ohne Werkzeug- oder mit einer einfachen Kombizange geöffnet werden kann. Ein Kettenschloss muss immer mit ausgewechselt werden. Neue Ketten haben aber selten exakt die gleiche Länge wie die montierte Kette. Zur Not kann man die Kette auch beim Fahrradhändler öffnen bzw. kürzen lassen. Das wird verständlicherweise nicht so gern gemacht… Apropos: Radfahrern mit zwei linken Händen rate ich von der eigenen Reparatur eher ab.

 

Kettenverschleiß mit einem Messschieber messen

Vor dem Trennen der Kette muss natürlich das Verschleißmaß geprüft werden. Ich gehe hier mal davon aus, dass dies mangels Kettenlehre mit einem Messschieber gemacht wird. Das ist etwas fummeliger, funktioniert aber ganz gut, wenn man mehrere Messungen an verschiedenen Stellen macht. Dazu wird der Messschieber auf 119 mm aufgezogen. Die Spitzen zur Innenmessung werden in die Kettenglieder geführt und der Messschieber wird bis zum leichten Widerstand auseinander gezogen und mit der Rändelschraube fixiert. Eine neuwertige Kette zeigt bei dieser Methode eine Länge von ca. 119,5 -119,8 mm an.

 

Diese Kettenlehre zeigt, dass die kette noch etwas gefahren werden kann, liegt die Lehre auf, muss die Kette gewechselt werden.

Diese Kette muss noch nicht gewechselt werden, die Kettenlehre liegt noch nicht auf

Ab einer Länge von 120,5 mm sollte die Kette gewechselt werden. Ab 121,5 Millimetern müssen wahrscheinlich nicht nur die Kette, sondern auch das Ritzelpaket (und die Kettenblätter) gewechselt werden. Einfacher geht die Verschleißmessung mit einer Kettenlehre: Liegt die Lehre auf der Kette ganz auf, sollte die Kette möglichst schnell gewechselt werden. Bei Stahlritzeln darf der Verschleiß 1.0 Millimeter betragen, bei Aluritzeln nur 0,75 Millimeter. Eine Kettenlehre ist online schon für ein paar Euro erhältlich und sehr praktisch, weil Messfehler quasi ausgeschlossen sind.

 

 

Fahrradkette mit einem Kettentrenner öffnen

Fahrradkette mit einem Kettentrenner öffnen

Tipp beim Kettenwechsel: Soll eine gebrauchte Kette z.B. auf einer Radtour wieder geschlossen bzw. vernietet werden, ist es günstig beim Öffnen den Bolzen nicht ganz heraus zu drücken, sondern ihn wie im Bild in der Außenlasche der Kette stecken zu lassen. Dadurch wir das Schließen der Kette später erheblich einfacher. Generell sollte man möglichst natürlich immer einen NEUEN Ersatzbolzen oder ein NEUES Ersatzkettenglied samt Kettenschloss mitnehmen, falls die Kette unterwegs reißt.

 

Kettentrenner richtig einsetzen: Die Haken dienen nur dem Einfädeln. und nicht als Gegenhalter. Dafür ist der Gegenhalter mit dem Gewinde zuständig.

Kette wechseln mit dem Kettentrenner: Die schwarzen Haken (Pfeile) dienen nur dem Einfädeln und nicht als Gegenhalter beim Durchdrücken des Niets. Dafür ist die Rändelschraube mit dem Gewinde (Kreis) zuständig. Diese wird vorher angezogen und nimmt die eigentliche Kraft beim Durchdrücken auf. Wird die Rändelschraube nicht angezogen, brechen die Haken höchstwahrscheinlich ab. Merke: Je billiger der Kettentrenner, desto sorgfältiger muss der Dorn auf dem Bolzen manuell zentriert werden. Der Dorn bricht sonst ebenfalls ab oder wird krumm.

 

Fahrradkette trennen

Der Kettentrenner im Einsatz von oben gesehen: Deutlich zu erkennen sind die unbelasteten schwarzen Haken, die frei liegen, während der Dorn schon mit Kraft auf den vorgespannten Gegenhalter drückt. Der Dorn muss optisch absolut mittig sitzen, sonst bricht er ab.

 

Fahrradkette kürzen und montieren

Neue Ketten sind fast immer zu lang

Die neue Kette ist fast immer länger und muss gekürzt werden

Neue Fahrradketten müssen beim Wechsel in der Regel immer gekürzt werden. Um die richtige Länge zu ermitteln, hängt man am besten die alte und neue Kette nebeneinander an einem Draht oder einer Schraube auf. Zur Not kann man sie auch auf den (sauberen) Boden legen. Die alte Kette hat sich fast immer gelängt, deshalb kürzt man die neue Fahrradkette auf das nächst kürzere Glied. Shimano liefert dazu z.B. spezielle Bolzen zum Vernieten aus, die man extra zur neuen 11-fach-Kette hinzu kaufen muss. In der Regel werden nur hochwertige Rennradketten wieder endlos vernietet – also ohne Kettenschloss. Der Bolzen wird an dieser Stelle außerdem von außen mit einem Kreuz markiert und leicht gestaucht, damit die Kette an dieser Stelle nicht versehentlich ein zweites Mal geöffnet wird. Hier gibt es ein gutes  Youtube-Video dazu. Nach dem Neu-Vernieten mit dem Kettentrenner ist die Kette an dieser Stelle oft steif und muss durch seitliches Verbiegen erst wieder gangbar gemacht werden. Hochwertige Ketten haben übrigens oft eine Laufrichtung. Beiliegende Anleitung beachten!

kettenverschlussgliedzange

Kettenverschlussgliedzange mit herausgeschlagenem Bolzen

Nachtrag Mai 2021, Achtung Spezialwerkzeug nötig: Beim Wechsel der nächsten 11-fach Kette (CN-HG701-11) war ein Schnellverschluss “Quick Lock” dabei. Dieser kann aber nicht wie bei normalen Nabenschaltungs-Markenketten einfach locker eingeclipst werden, sondern erfordert zwingend das Shimano-Spezialwerkzeug “SHIMANO TL-CN10” oder eine preiswerte Kettenverschlussgliedzange, da die Kette mit viel Kraft gezogen werden muss, sonst rastet der Schnellverschluss nicht ein. Bei der preiswerten Super-B-Kettenverschlussgliedzange muss der Bolzen abgemeißelt werden, sonst geht die Zange für Shimano-11-Fach Ketten nicht weit genug auf. Mit Spitzzangen usw. geht das nicht, ohne die neue Kette gleich vor zu schädigen. Wer kein Spezialwerkzeug anschaffen will, nimmt den klassischen Bolzen HG-EV mit der Sollbruchstelle wie oben beschrieben. Dieser muss natürlich extra geordert werden, am besten gleich ein Dreierpack, falls man ihn zu weit drückt… Campagnolo-Ketten haben nur ein ganz bestimmtes Gliederpaar zum Öffnen und Schließen. Die Technik ist an dieser Stelle im Radsport offensichtlich ausgereizt. Ein Kettenriss gehört immer noch zum Alltag, ist aber nur mit entsprechendem Werkzeug auf der Straße zu beheben. Zur Not wird bei gekürzter Kette nur auf den kleinen Ritzeln weitergefahren, da dann ein Gliedpaar fehlt. Ohne Multitool geht das aber nicht.

Kettenschloss werkzeugfrei

Die meisten Radfahrer-Innen werden Ihre Kette lieber mit einem Kettenschloss verschließen. Sie ist dann später wieder ohne Werkzeug zu öffnen. Aus Cyclocross-Foren weiß ich, dass auch teure 11-fach Hochleistungsketten problemlos mit einem modernen Kettenschloss geschlossen werden können. Ob das wirklich der gleichen Güte einer vernieteten Kette entspricht möchte ich anzweifeln, aber es funktioniert für die meisten Hobbysportler wohl gut. Kettenschlösser muss man oft  extra kaufen. Ältere Kettenschlösser der 80er und 90er Jahre kann man mit einer Kombizange öffnen – beim Wiedereinbau immer ein neues Schloss verwenden!

 

Einzelne Kettenglieder der gekürzten Kette

Das sind die übrig gebliebenen Teile einer gekürzten Kette. Radreisefreaks und Rennradsportler nehmen sie als Ersatzteil mit auf die nächste große Tour. Ketten kann man damit natürlich auch perfekt verlängern…

Eine neue Kette ist immer sofort positiv spürbar und eine der effizientesten Tuningmaßnahmen, um Fahrräder schön leicht laufen zu lassen. Neben leichten und leicht laufenden Reifen ist es der beste und günstigste Trick, überflüssige Reibung am Fahrrad zu vermindern. Beim Thema der oft kontrovers diskutierten “richtigen Schmierung” der Kette für eine lange Lebensdauer vertrete ich persönlich mittlerweile die Meinung “weniger ist mehr” – zumindest bei Rädern, die nicht oft im Regen oder im Winter gefahren werden. Ich schmiere meine Ketten neuerdings erst dann, wenn sie beginnen ganz leicht zu zwitschern. Früher habe ich sie gerne vor jeder großen Tour geölt, mit Kettenfließfett behandelt, mit biologisch abbaubarem Kettensägenöl überschwemmt – vor dem Herbst, nach jedem Regen, das Ergebnis waren tiefschwarze, öltriefende Dreckmagneten mit einer dicken, schwarzen Krümelkruste, die man nicht mehr sauber bekommt. Das war falsch. Ich werde in Zukunft neben dem “weniger Ölen” noch mit Trockenschmierstoff experimentieren.

Nachtrag März 2020: Trockenschmierstoff sieht erstmal sauberer aus, hält aber nicht lange und hinterlässt bei mehrfacher Anwendung harte Wachsspuren auf der Kette, die immer dicker werden. Ich nehme jetzt wieder gutes Kettenöl, setze es aber nur noch sehr sparsam ein. Am Pendlerbike im Winter hat sich ein langer Spritzlappen / Schmutzfänger am vorderen Schutzblech über mehrere Winter als extrem kettenlebensverlängernd erwiesen. Dieser hält in der dunklen Jahreszeit Staub, Spritzwasser und Streusalz von der Kette. Sie hält dadurch erheblich länger durch, ähnlich einer gekapselten Kette!

Nachtrag Mai 2021: Ich benutze überhaupt keinen Trockenschmierstoff mehr.

 
Modernes Kettenschloss werkzeugfrei

Modernes, werkzeugfrei montierbares Kettenschloss

 

Tipps zum Kettenwechsel und zur Kettenpflege am Rad


  • Benötigte Teile beim Kette wechseln: Neue Kette, Kettenschloss, Kettentrenner, evtl. eine Kombizange für alte Kettenschlösser und neuerdings auch eine Kettenverschlussgliedzange, um das beigefügte “Link-Glied” durch Spannen der Kette zu schließen
  • Mit etwas Übung und dem richtigen Werkzeug dauert der oben beschriebene Kettenwechsel ca. 20 Minuten
  • Entweder man wechselt die Kette regelmäßig oder fährt bewusst 2-3 Generationen von Ketten mit nur einer einzigen verschlissenen Kette und dem Ritzelpaket bzw. Zahnkranz zu Schrott
  • Eine neue Kette darf nicht auf verschlissene Zahnräder montiert werden, da sie sonst nach wenigen Kilometern sofort selbst verschlissen ist
  • Stark verschlissene Ritzelpakete und Kettenkränze bringen die Kette zum springen, knacken und machen Geräusche beim Schalten
  • Die Hauptverschleißursachen für Ketten sind a) Dreck, Staub, Nässe und Taumittel b) Anfahren in zu hohem Gang – “sich mit dem Körpergewicht auf die Pedale stellen” und c) das Querfahren in falschen Gangpaaren
  • Ein Messschieber kann eine Kettenlehre bei der Verschleißmessung ersetzen
  • Eine teurere Kette hält in der Regel länger, schont die Zahnräder und braucht weniger oft nachgespannt zu werden
  • Die ursprüngliche Schmierung einer Fahrradkette ab Werk ist in Ihrer Güte durch reines Nachölen kaum wieder zu erreichen, außer die Kette wird wieder in heißes Kettenfließfett eingelegt
  • Die Erstschmierung einer neuen Kette hält nach meiner Erfahrung ca. 500 km bei trockener Straße, bevor nachgeschmiert werden muss
  • Die gekapselten Ketten von Hollandrädern halten x-fach länger, als dünne Rennradketten mit offen liegender Kettenschaltung – ein langer Schmutzfänger ist perfekt “Die Alternative”
  • Ein Wechsel der Kette ist immer dann ganz einfach, wenn das entsprechende Werkzeug vorhanden ist…

 

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