Wie repariert man einen Sattel aus Kunstleder?
Fällt das Fahrrad aus Versehen mal um, wird oft der Sattel in Form eines kleinen Lochs in Mitleidenschaft gezogen. Sattelbezüge ohne Kunststoff-Schleifkanten an den Ecken sind extrem sturzgefährdet. Die Preise für einen guten Fahrradsattel beginnen oft erst jenseits der fünfzig Euro. Grund genug den Sattel selbst zu reparieren, statt gleich zu entsorgen. Schnell saugt selbst ein kleines Loch oder ein kleiner Riss immer mehr Regenwasser auf, das Ergebnis sind nasse Hosen nach dem Aufsitzen. Bleibt das Loch weiterhin ungeflickt, wird es durch die Belastung immer größer, bis der Sattelbezug weit einreisst und dadurch völlig unbrauchbar wird. Gern wird behauptet, Kunstleder oder Weich-PVC könne man selbst nicht kleben. Das stimmt nicht, wenn man den richtigen Kleber, Geduld und das richtige Know-how zur Sattelreparatur nutzt. Damit können auch größere Schäden an Fahrradsätteln behoben werden.
Sie benötigen:
- Einen Flicken aus Kunstleder, Weich-PVC, Skai, z.B. von einer alten Tasche, oder einem alten Schuh
- einen PVC-Kleber speziell für weiche Kunststoffe
- Silikonentferner, Aceton, oder zumindest Spiritus bzw. Alkohol zum gründlichen Entfetten und Reinigen
- Schere, Messer, Schleifpapier
- Etwa 10-20 Minuten Zeit
1. Vorbereitung der Sattelreparatur
Der abgebildete Sattel hat ein Loch im Bezug, welches bis auf die innere Schaumschicht blicken lässt. Bei dieser Größe von ca. 7 mm kann man sogar noch versuchen ganz ohne ohne Flicken auszukommen. Der Vorteil: Wird nur der Kleber eingesetzt, entsteht keine kleine Kante, die beim ständigen Pedalieren gern wieder aufgeht. An dieser Stelle berührt das Bein den Sattel jedoch kaum permanent, deshalb entschließe ich mich dazu einen Flicken zu verwenden. Zumal der Materialschaden nicht genau erkennbar ist: Eventuell sind es in diesem Fall auch mehrere, kleine Löcher.
2. Flicken zuschneiden und Klebestelle sorgfältig säubern
Aus einer alten Tasche schneide ich ein passendes Stück Kunstleder aus. Das Wichtigste an der Klebestelle ist die absolut gründliche Entfettung. Kunstleder besteht aus weichem PVC. Polyvinylchlorid ist ein eigentlich harter Kunststoff mit künstlichen Weichmachern bis zu 50%. Die Weichmacher machen eine erfolgreiche Klebung so anspruchsvoll. Das allerwichtigste ist deshalb, die Klebestelle vorher penibel zu reinigen und vor allem zu entfetten. Das geht am besten mit Silikonemtferner oder Aceton, zur Not funktioniert auch Spiritus oder Alkohol. Aceton hat den großen Vorteil mit dem Kleber eine perfekte Bindung einzugehen. Vorsicht: Es greift viele Kunststoffe sofort an. Also zunächst vorsichtig ausprobieren. Für optimalen Halt kann die Oberfläche zusätzlich noch mit Schleifpapier angeraut werden. Die Satteldeckel war in diesem Fall so dünn, dass ich darauf verzichtet habe.
3. Mit einem getränkten Tuch wird das zu klebende Material gründlich entfettet
Neben der Entfettung des Fahrradsattels muss natürlich auch die Rückseite des Flickens gesäubert werden. Kunstleder ist häufig von hinten mit Stoff kaschiert. Auch das macht die Klebung schwierig, da der Flicken sich leicht wieder ablöst: Gern auch zwischen der aufkaschierten Stoffschicht und dem eigentlichen Weich-PVC. Deshalb muss der Kleber den aufkaschierten Stoff richtig durchdringen. Bei glatten Materialien kann es daher durchaus sinnvoll sein, die Klebestelle vorher mit Schleifpapier etwas aufzurauen.
4. Der richtige Kleber für Weich-PVC
Echtes Leder und natürliche Materialien ohne Weichmacher kann man mit einem guten Universal-Kontaktkleber wie z.B. “Pattex” kleben. Schuster nehmen dafür z.B. gern “Kövulfix”. Damit werden auch stark strapazierte Schuhsohlen festgeklebt. Bei Weich-PVC funktioniert das allerdings nicht gut, da die Weichmacher den Kleber auf Dauer wieder abstoßen. Deshalb benutzt man für Kunstleder einen speziellen Weich-PVC-Kleber wie z.B. “Köraplast”. Echte Gummiteile sollten z.B. mit einem normalen Fahrradflicken oder einem Stück Schlauch vulkanisiert werden. Der Vulkanisierungsprozess verschmilzt die Gummielemente quasi.
5. Der Kontaktkleber muss gut ablüften
Wichtig ist, dass Sie die Herstellerangaben des Klebers wirklich genau beachten: Im Regelfall bedeutet das, beide Klebestellen mit dem Kleber satt einzustreichen und 2-7 Minuten ablüften zu lassen, bevor die Teile zusammengefügt werden. Der Kleber fühlt sich dann bereits richtig trocken an! Ebenfalls sehr wichtig ist die angegebene Verarbeitungstemperatur des Klebers. In z.B. nur drei Grad Celsius kalten Garagen wird die Klebestelle garantiert nicht lange halten. Wärmen sie die Tube des Klebers dann erst in warmem Wasser an und beheizen Sie die Klebestelle künstlich mit einen einen Fön.
6. Die kaschierte Seite des Flickens wird mit Kontaktkleber förmlich durchtränkt
Nach dem Ablüften werden die Teile möglichst fest zusammen gepresst. Der kurze, hohe Druck entscheidet über die Haltbarkeit, leider geht das bei einem gepolsterten Fahrradsattel nicht sonderlich gut, da das Material naturgemäß nachgibt. Der Schuster nimmt im Regelfall einen Hammer oder eine Presse, um entsprechend hohen Druck zu erzeugen… beim Fahrradsattel ist das zerstörungsfrei kaum möglich.
7. Der fertig reparierte Fahrradsattel
Da Kunstleder kaum Feuchtigkeit durchlässt, sollte die Klebestelle des Fahrradsattels vor der ersten Belastung 24h ruhen. Erst danach kann man sich wieder unbeschwert in den Sattel schwingen. Bei stark beanspruchten Reparaturflicken kann die Fuge der Klebestelle nach dem Ablüften an der Kante nochmal dünn mit Sekundenkleber verstärkt werden. Eben so dünn, dass der Übergang vom Sattelbezug zum Flicken etwas eingeebnet wird. Standard-Sekundenkleber wird allerdings hart und kann chemische Reaktionen in Form von weißen Rändern hinterlassen, die sich nicht entfernen lassen. Bei echtem Leder werden die Ränder des Flickens von Experten vorher noch abgeschliffen. Bei Kunstleder funktioniert das nicht, da das Material nicht homogen- sondern in Sandwichbauweise aufgebaut ist. Wer den gesamten Look der Reparatur nachträglich noch mit Siebdruckfarbe kaschieren will, kann sich in Druckereien etwas Siebdruckfarbe besorgen. Diese zieht vollständig in den weichen Kunststoff ein und lässt ihn wieder wie neu aussehen.